Per Autobahn auf die Anliegerspur

betr.: „Autobahn wird Ansichtssache“, taz vom 28. 2. 09

Als Anfang der 1990er ein gerade frisch reüssierter Architekt in einer Steuerungsrunde der senatorischen Behörde seine Pläne für die Neubebauung des Spittelmarktes vorlegte, bekam er von der Verkehrsbehörde den empörten Einwurf zu hören: „Sie entwerfen ja so, als käme erst die Stadt und dann der Verkehr!“ An dieser Einstellung hat sich bis heute nichts geändert. Ganz im Gegenteil für die einseitige Bevorzugung scheinbar überregionaler Interessen werden lokale Bedürfnisse gerne hintenangestellt. Dass neue Straßen weiteren Verkehr produzieren, ist mittlerweile schon eine Volksweisheit. Nicht so für den Senat, der munter in 70er-Jahre-Manier Verkehrskanäle buddeln möchte. Für irgendwas ist das immer gut, natürlich mit neusten zukunftsweisenden Technologien – Opa genannt.

Und so bekommen wir bestimmt wieder an jedem neuen Knotenpunkt eine aufregende Höhendominante und in jeder Abfahrtsschleife ein großes Stück geschnitzte Seife („Ein neues Automuseum gefällig?“) wahlweise von Frau Hadid oder einem anderen Baukünstler im aufrichtigen Kampf gegen den rechten Winkel.

Zum Beispiel die Grenzallee: Wer erinnert sich noch an diesen Teil Neuköllns vor dem Autobahnbau, nicht sehr attraktiv, randgruppenständiges Gebiet in vielerlei Beziehung, heute devastiert, und das nicht nur im unmittelbaren Bereich, nein – die atmosphärische Störung wirkt weit hinein in die Umgebung, ein blinder Fleck im Stadtgebiet. So trennt das vielmehr, was gleichzeitig als schnelle Verbindung gedacht war. Der Verkehr ist das Fluidum einer Stadt, doch darf eine Verkehrsform nicht unter Preisgabe einer anderen Form der Kommunikation den Stadtraum besetzen.

KLAUS SCHÄFER, Professor für Städtebau