Wohnen in Bremen-Tenever: Alle zusammen ausziehen

Zwei Hochhäuser in Tenever verwahrlosen, weil sich der australische Eigentümer verspekuliert hat. Jetzt hoffen die Bewohner auf Hilfe von der Politik. Doch die kann nur zur Brachiallösung raten VON FELIX ZIMMERMANN

"Untragbare Zustände"? Haus in der Neuwieder Straße 3, Tenever Bild: JAN ZIER

Montag Nachmittag in der Düppelstraße 26 in Kiel. Im Büro der Firma Krüger Immobilien klingelt ein Telefon. Niemand nimmt ab, dabei ist der Feierabend noch weit weg. Es war der fünfte oder sechste Anruf bei dem Unternehmen, zuvor war stets besetzt gewesen. Als hätte jemand den Hörer beiseite gelegt.

Man ahnt, wie sich die Bewohner der Häuser in Bremens Neuwieder Straße 1 und 3 fühlen. Sie haben, nach eigener Aussage, des öfteren Grund, bei Krüger Immobilien in Kiel anzurufen. Weil der Aufzug mal wieder nicht fährt, weil sich der Schimmel im Wohnzimmer ausbreitet, weil ein Fenster nicht schließt, weil die Zustände in den Häusern untragbar geworden sind. Das Problem: Bei Krüger geht niemand ans Telefon. Für die Bewohner der Neuwieder Straße 1 und 3 ist es eine Hausverwaltung, die nur auf dem Papier existiert. Da hilft auch die einmal wöchentlich stattfindende Sprechstunde in Bremerhaven nicht. Immerhin hat jemand an den defekten Aufzug ein Schild geklebt mit der Aufschrift "Kaputt". Als wäre das eine Nachricht, auf die man die Bewohner extra hinweisen müsste.

Die Bewohner der beiden Häuser mit je 96 Wohnungen auf 15 Stockwerken wehren sich jetzt gegen die miesen Wohnverhältnisse. Gestern Nachmittag wollten sie sich zu einer Anwohnerversammlung treffen, um über gemeinsame Maßnahmen nachzudenken. Als Vorschläge diskutieren sie über den plakativen Aufbau von Zelten als besseren Wohnungsersatz; sie denken über die Einstellung der Mietzahlungen nach oder über Demonstrationen am Sitz der Hausverwaltung in Kiel.

Zwar ärgern sie sich schon seit Jahren darüber, aber so schlimm wie zurzeit sei es noch nie gewesen, sagt Michaela Dinkel. Sie wohnt seit 20 Jahren in Hausnummer 1 und hat den Verfall der Häuser miterlebt: Lange gehörten sie einem Eigentümer, der sich kümmerte, dann wurden sie verkauft und gelangten über mehrere Stationen an den heutigen Eigentümer, die Investment-Firma Babcock & Brown mit Sitz im australischen Sydney. Dem Unternehmen fehlt Fremdkapital, es kämpft ums Überleben, meldete das Handelsblatt Ende des Jahres.

Joachim Barloschky von der Projektgruppe Tenever, die sich als Quartiersmanager für die Wohngegend einsetzt, hat in den vergangenen vier Jahren drei Eigentümerwechsel und vier verschiedene Hausverwaltungen gezählt. "Das ist das Problem, wenn man Wohnungen transnationalen Konzernen überlässt: Das sind Haiopeis, die damit spekulieren wollen", sagt Barloschky. Er sieht die Verschlechterung der Wohnsituation inzwischen als "dramatisch" an. So hat er es auch in einem Brief an den Bausenator, an die Sozialsenatorin und die Deputationen für Bau und Soziales geschrieben.

Nicht einmal die nötigsten Instandsetzungen würden noch gemacht, sagt Mieterin Dinkel. Einmal kam ihr beim Fenster putzen der morsch gewordene Holzrahmen entgegen, Heizungen sind kaputt, die Haustüren schließen nicht mehr, Wasserrohrbrüche sind nur notdürftig geflickt worden.

In dieser Situation erhoffen sich die Bewohner Hilfe von der Politik. Von dort allerdings kamen gestern eher zurückhaltende Signale: Die Sprecherin der Sozialsenatorin, Petra Kodré, sagte, die Behörden könnten "wegen privater Verträge zwischen den Mietern und dem Hauseigentümer nur ganz schlecht etwas machen". Im Prinzip, so Kodré, müssten die Bewohner geschlossen ausziehen, um Babcock unter Druck zu setzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.