Manifest zu Ehren des Subcomandante

Panteón Rococó verstehen sich als klingende Antwort auf die mexikanischen Verhältnisse. Die sind von Verteilungskämpfen, Korruption und Patronage geprägt. Phänomene, die die Band in ihren Texten verarbeitet

Vier Jahre habe sich Mexikos revolutionäre Fusionisten Zeit gelassen, um ihr viertes Album einzuspielen. Als Neuanfang will Sänger Luis „Dr. Shenka“ Ibarra die Platte verstanden wissen, die es in Mexiko aufgrund der politischen Texte wieder einmal schwer haben wird. Kritik an den sozialen Verhältnissen und die Solidarität mit der zapatistischen Bewegung sind mit Panteón Rococó genauso untrennbar verbunden wie die Tortilla mit der mexikanischen Küche.

Auch ein Grund, weshalb die 11-köpfige Kapelle derzeit durch Europa reist, um die neue Platte vorzustellen. Manchmal als Hauptact wie im Hamburger Stadtpark und manchmal als Vorband der „Ärzte“. Für die Rococós eine Ehre, der sie auch gern eine Gegeneinladung in die Vereinigten Staaten von Mexiko folgen lassen werden. Anders als hier ist es „alles andere als einfach, Auftritte oder gar Tourneen in Lateinamerika zu organisieren“, so Dr. Shenka. Equipment ist genauso rar wie geeignete Locations und nicht immer sind die kritischen Töne willkommen.

Denn Panteón Rococó machen aus ihrer Sympathie für Subcomandante Marcos und die Zapatistische Befreiungsbewegung EZLN nie einen Hehl. „Die Bewegung hat uns Ausdrucksmöglichkeiten und Auftritte verschafft“, erklärt der sympathische Frontmann. Diesen Roots ist die Band, die mehrfach vor mehr 40.000 Fans auf dem Zócalo in Mexikos Hauptstadt spielte, treu geblieben. Damit ecken sie auch an. So wurden im Radio einige Stücke von der letzten CD „Tres Veces Tres“ erst gar nicht gespielt. Nichts Neues für die neunköpfige Band. Lange wurden Dr. Shenka und seine Mitstreiter von den Labels in Mexiko links liegen gelassen. Erst als die selbst produzierte CD „A la Izquierda de la Tierra“ mit 80.000 verkauften Alben zu einem Renner wurde, nahm der Multi BMG die Musiker unter Vertrag.

Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn damals war ein vermeintlicher Kumpel mit der Bandkasse durchgebrannt. „Unser eigenständiges Konzept hatte sich plötzlich wie eine Seifenblase aufgelöst“, erinnert sich Dr. Shenka ironisch grinsend. Auch der Vertriebswege wegen haben Panteón Rococó, die noch jeden Saal mit ihrem treibenden Sound aus Ska, Reggae, Punk und einem kräftigen Schuss Mariachi, Cumbia und Salsa zum Kochen gebracht haben, bei einem Major unterzeichnet. Fusion oder auf spanisch Mestizaje ist für die Panteón-Gitarrist Gorri, der alles zwischen Santana und Ramones hört, eine Selbstverständlichkeit im Melting Pot Mexiko Stadt. „Die Stadt ist wie ein Mixer, in dem alle Einflüsse verquirlt werden. Wir als Band profitieren davon, weil wir nicht auf ein Genre festgelegt sind.“ Die Zeiten, wo mexikanische Bands Rock ’n’ Roll nach amerikanischen Rezept spielten, sind lange vorbei.

In Mexiko sind Panteón Rococó eine recht große Nummer, stehen aber für Solikonzerte zugunsten von sozialen Bewegungen, kleinen Kooperativen oder indigenen Gemeinden zur Verfügung. Und zu ihrem politischen Selbstverständnis gehört es, auch hier über die Verhältnisse in ihrer Heimat aufzuklären. „Es ist wichtig, dass von draußen darauf geachtet wird, was in Mexiko passiert“, erklärt Dr. Shenka. „In Deutschland fühlen wir uns wohl, haben viele Freunde, ein gutes Label – was wollen wir mehr?“ Beim ersten Besuch wurde er noch von der linken Hamburger Szene eingeladen.

Lange her, doch den Kontakt hat Dr. Shenka genauso gehalten wie die Band ihren markanten Sound und die teilweise ätzenden Texte. Etwas rockiger klingen Panteón Rococó bei einigen der Nummern wie „Dondé se queda“ zwar, aber im nächsten Augenblick fusionieren sie Reggaebeats mit karibischer Leichtigkeit souverän zu „Vendedora de Caricias“. Live wird die Band aus Mexiko City sicherlich noch ein Schippchen drauf legen, wenn es heute erstmals darum geht, den Hamburger Stadtpark zu erobern. KNUT HENKEL

Do, 7. 8., 20 Uhr, Freilichtbühne im Stadtpark, Saarlandstraße 71