Überwacht bei Kaffee und Kuchen

Die Kaffee-Kette „Campus Suite“ filmt in zwei Kieler Filialen Mitarbeiter und Kunden – zur Qualitätssicherung und für mehr Sicherheit, sagen die Betreiber. Von gravierenden Eingriffen spricht dagegen das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz

Der Hamburger Kaffeehaus-Kette Balzac Coffee hat das Amtsgericht im April verboten, ihre Kunden im Gästebereich der Filialen mit Videokameras zu überwachen. Geklagt hatte ein Gast, der sich dadurch belästigt fühlte. Balzac hatte aber nach Angaben des Unternehmens schon vor dem Urteil alle Kameras in den bundesweit 35 Niederlassungen demontiert – auch die jenseits der Sitzbereiche, die von dem Urteil nicht betroffen waren. An einer Berufung gegen das Urteil bestehe daher kein Bedarf, teilte das Unternehmen mit. Balzac-Geschäftsführerin Vanessa Kullmann, Hamburgs Unternehmerin des Jahres 2006, wertete den Gerichtsentscheid trotz der Niederlage als positiv: „Mit diesem Urteil haben wir, aber auch andere Filialbetriebe mit Publikumsverkehr, jetzt endlich eine Rechtsgrundlage“, erklärte sie der Presse. dpa

AUS KIEL JAN HAUSER

Von einer „exzessiven Videoüberwachung“ sprechen Datenschützer: Kein Kunde könne das Geschäft betreten, ohne gefilmt zu werden. Mitarbeiter stünden, etwa bei der Essenszubereitung „dauerhaft und vollständig unter Kamerakontrolle“ und seien selbst im Umkleideraum nicht vor den Objektiven sicher. Die Vorwürfe richten sich gegen zwei Kieler Filialen der „Campus Suite“, in denen belegte Brötchen, Kuchen, Kaffee und Tee verkauft werden – laut Eigenwerbung ist man „Coffeeshop, Deli und Lounge“.

Hinter der Kette steckt die Firma 4-elements gastroconcept Kiel GmbH & Co KG, deren Geschäftsführer die Brüder Frank und Leonard Stebisch sind. Seit 2007 lassen sie ein Geschäft am Bootshafen sowie eines am Westring auf dem Campus der Kieler Universität per Video überwachen. Aus Sicherheitsgründen, sagt Frank Stebisch: „Da können welche auf den Gedanken kommen: Mensch, wenn die zwei Mädels Schlussdienst machen, werden wir abends dahingehen und die Tagesgeldeinnahmen stibitzen.“ Noch gab es zwar keinen Überfall, dafür eingeschlagene Scheiben, gestohlenes Mobiliar und drei Einbrüche – „hier am Westring“, sagt Stebisch, „ist nachts alles tot“. Jetzt sammeln kleine Kameras an der Ladendecke tonlose Videoaufnahmen, die drei Tage lange bei einer externen Firma gespeichert werden. Im Büro unter der Filiale Westring kann das Geschehen im Geschäft live verfolgt werden. „Wenn Sie unten Büroarbeit machen, sind Sie so immer auf dem Sprung“, sagt Frank Stebisch: „Ist oben was los, muss ich mithelfen?“ Jetzt, mit den Kameras, „haben wir Ruhe“.

Für Schleswig-Holsteins Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz (ULD) dagegen ist diese Überwachungspraxis schlicht „unzulässig“: Die pauschalen Begründungen der Geschäftsleitung könne „derart gravierende Eingriffe in die Rechte der Mitarbeiter und Kunden nicht legitimieren“. Stebisch teilt die Vorwürfe des ULD, das ein Bußgeldverfahren eingeleitet hat, nicht: „Es ist leider alles vom Gesetz her sehr schwammig“, sagt er. Seine Anwälte haben eine Stellungnahme an das ULD abgegeben: Die Videoaufnahmen dienen demnach nicht zur Überwachung der Mitarbeiter.

2004 eröffneten Frank und Leonard Stebisch ihre erste Campus Suite am Kieler Westring. Ihr Firmenkonzept: „faire Gastronomie“ unter dem Motto „Dein Körper dankt“. Inzwischen haben sie auch Läden in Braunschweig, Flensburg, Hannover und Hamburg.

Den Stopp der Videoüberwachung fordert inzwischen auch die Juso-Hochschulgruppe an der Kieler Uni: Sie spricht gar von „Stasi Macchiato“: „Wer garantiert einem, dass nicht in zwei, drei Jahren auf RTL II bei ‚Die dümmsten Studenten‘ gezeigt wird, wie man eine Tasse Kaffee über sich und seine Bücher vergießt?“: Benjamin Raschke von den Jusos rät, sich zu beschweren. Eine Studentin habe dies schon wortreich erledigt, sagt er. Davon will Geschäftsführer Frank Stebisch nichts mitbekommen haben: „Es ist eher so, dass die Kunden selbst gesagt haben: Das finde ich gut, da fühle ich mich sicher bei euch.“

Dennoch hat Campus Suite die Kameras im Außenbereich abmontieren und den Hinweis auf Videoüberwachung am Eingang vergrößern lassen. Weiter filmen möchten die Betreiber im Kassenbereich, weil „da ein hoher Durchlauf ist und wir prüfen, ob da ein Diebstahl ist oder Ware rausgeht, ohne zu bezahlen“, so Stebisch. Die verwendete Technik sei branchenüblich, sagt er. In McCafés, ja, da würde sogar im Gastraum gefilmt: „Wie geht das denn?“, fragt er. „Wenn, dann muss das deutschlandweit einheitlich geregelt werden. Und nicht betriebsabhängig.“

Dagegen sagt Thilo Weichert, Landesbeauftragter für den Datenschutz und Leiter des ULD: „Was Restaurants angeht, ist es noch absolut unüblich. Aber wir stellen leider fest, dass hier auch immer schamloser Kunden beobachtet werden.“ Dafür sei die Campus Suite nicht das einzige Beispiel: „Dort, wo Leute sich gehen lassen, wo sie sich treffen, wo sie kommunizieren, wie in Gaststätten, nimmt die Überwachung jetzt leider auch zu.“

Das ULD entscheidet in den nächsten Wochen über den Fall Campus Suite. Eine Geldstrafe bis zu 250.000 Euro wäre möglich – aber Weichert zufolge auch wenig realistisch. Derweil hofft Frank Stebisch auf eine Einigung mit dem ULD – und das Ergebnis, nicht alle, aber manche seiner Kameras weiterhin nutzen zu dürfen.