Führungsstreit im Menschenrechtsverein: Verdächtige Kontoausgänge

Gegen den Gründer der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ wird wegen Untreue ermittelt. Zwei ehemalige Vorsitzende werfen ihm Unregelmäßigkeiten vor.

Wurde wohl zu Unrecht bezahlt: Vereinsgründer Tilman Zülch (2.v.r.). Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Die Führung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) will die internen Querelen mit einem formalen Kraftakt beenden. Der Vorstand der traditionsreichen Menschenrechtsorganisation will den Exvorsitzenden Harald Klein und dessen Vize James Albert loswerden und hat bei der Schiedskommission deren Ausschluss wegen angeblich vereinsschädigenden Verhaltens beantragt.

Auf der Jahreshauptversammlung der GfbV an diesem Wochenende in Göttingen will sich Albert gegen die Vorwürfe zur Wehr setzen. Ob er Rederecht erhält, ist aber fraglich. Seit Jahren leidet die Arbeitsfähigkeit der Organisation unter dem Streit über die Rolle von Tilman Zülch. Zülch, der die GfbV 1970 (mit-)gründete, gilt in der Menschenrechtsszene inzwischen als problematisch und vielen Mitstreitern als nicht mehr tragbar.

Die Konflikte verschärften sich Ende 2010, als der Freiburger Rechtsanwalt Klein und der pensionierte Göttinger Oberstudienrat und Indienexperte Albert zum Bundes- und Vizevorsitzenden der GfbV gewählt wurden. Sie stellten nach eigenen Angaben finanzielle Unregelmäßigkeiten bei dem eingetragenen Verein fest und monierten auch das Anstellungsverhältnis von Zülch. Dieser habe als ehrenamtliches Vorstandsmitglied nicht gleichzeitig bezahlte Arbeit leisten dürfen. Deshalb kündigten sie seinen Vertrag als Generalsekretär.

In dem Ausschlussantrag wirft der Vorstand Klein und Albert nun unter anderem vor, sie hätten dem Bundesbüro den Zugang zu seinen Bankkonten versperren und der GfbV durch die Verbreitung von Unterschlagungsvorwürfen beim Finanzamt die Gemeinnützigkeit entziehen lassen wollen. Dadurch sei der Organisation schwerer Schaden entstanden.

Eine Anzeige von Albert gegen Zülch wegen Veruntreuung, in deren Folge auch die Göttinger Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnahm, habe katastrophalen Folgen „für den absurd beschuldigten Gründer und Generalsekretär des Vereins und den Verein selbst“ gehabt. Das Ermittlungsverfahren ist immer noch anhängig, bestätigte die Staatsanwaltschaft der taz.

„Selbstherrliche Führung“

Albert hält daran fest, dass Zülch als Vorsitzender zu Unrecht Gehalt bezogen hat – ausweislich der Steuerbescheinigung immerhin mehr als 70.000 Euro. Die Rückforderung dieses Betrages sei nicht verwerflich. Albert sagt, er habe festgestellt, dass das „Vier-Augen-Prinzip“ bei Überweisungen durch bestehende Einzelvollmachten, etwa beim Onlinebanking, teilweise „in grober Weise umgangen“ worden sei. Schließlich sei ihm selbst, als er seine Recherchen fortsetzte, die Kontovollmacht entzogen worden.

Vorwürfe gegen Zülch erhebt auch der frühere GfbV-Vorstand und Freiburger Menschenrechtsaktivist Günter Wippel. „Es ist klar, dass der Verein von ihm selbstherrlich geführt wird, vor allem in Bereichen, die ihn persönlich interessieren – wie das Thema Vertriebene“, sagt Wippel. Mit den Vorwürfen konfrontiert, sprach Zülch am Donnerstag von einer von Albert inszenierten „Verleumdungskampagne“. „Wir sind nicht bereit, darauf einzugehen, weil Rechtsanwälte deswegen inzwischen eine Klage gegen ihn vorbereiten“, schrieb er in einer E-Mail an die taz.

Was der Konflikt für einen Schaden anrichtet, ist daran zu erkennen, dass etwa die Afghanistanarbeit der GfbV seit vielen Monaten weitgehend brach liegt. Referent Tillmann Schmalzried erkrankte Ende 2011 nach Monate langem Streit um einen Arbeitsvertrag, offene Gehälter und inhaltliche Differenzen. „Ich kann da nicht mehr arbeiten wegen der Seilschaften im Büro“, sagte Schmalzried der taz. „Weil ich auf meinem Vertrag bestanden habe, gehöre ich zum feindlichen Lager.“ Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich.

Wenn Albert an diesem Samstag Rederecht einfordert, befürchtet der ehemalige GfbVler Martin Rzeszut eine Eskalation. „Eine gewisse Gewaltbereitschaft einiger GfbV-Mitglieder kann nicht ausgeschlossen werden“, schreibt er in einer E-Mail an die taz. Er verweist auf eine Mitgliederversammlung der österreichischen Sektion im Jahr 2008. Dort waren einem Augenzeugen zufolge Teilnehmer mit Fäusten aufeinander losgegangen.

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