Österreich stoppt Atomstrom-Importe: Alpen ohne Strahlung

Österreich hatte nie ein AKW am Netz, nun will das Land Atomstrom nicht mal mehr importieren. Mit einem Trick will das Land EU-Regeln umgehen.

Wurde gebaut aber nie in Betrieb genommen: AKW Zwentendorf in Österreich Bild: dpa

BERLIN taz | Österreich will den Import von Atomstrom stoppen. Eine entsprechende Novelle des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG), sowie des Energie-Control-Gesetzes hat das österreichische Parlament Anfang des Monats mit großer Mehrheit beschlossen. Am 18. Juli steht das Thema nun auch auf der Tagesordnung des Bundesrats, der Vertretung der Bundesländer. „Die Zustimmung ist nur noch eine Formsache“, sagt Julia Kerschbaumsteiner, Anti-Atom-Campaignerin bei Greenpeace Österreich.

Das Land, das nie ein Atomkraftwerk am Netz hatte, positioniert sich seit Jahrzehnten wie kaum ein anderer Staat gegen die Nuklearenergie. So hatten sich schon im vergangenen Jahr Politik und Energiewirtschaft auf einem Atomgipfel gegenüber den Umweltorganisationen zum Verzicht auf ausländischen Atomstrom verpflichtet.

Natürlich ist ein solcher Importstopp nicht physikalisch gemeint, denn Strom lässt sich an der Grenze nicht nach Erzeugungsart sortieren. Das Verbot ist ökonomisch zu verstehen: Kein österreichischer Versorger darf mehr Strom vom Betreiber eines Atomkraftwerks oder aus unbekannten Quellen einkaufen. Zu jeder Kilowattstunde muss es künftig ein Herkunftszertifikat geben, das die Energie als nicht nuklear ausweist.

Allerdings räumt Greenpeace-Campaignerin Kerschbaumsteiner ein: „Der Importstopp ist aus Gründen des EU-Rechts nicht ganz unproblematisch.“ Ein Notifizierungsverfahren bei der EU-Kommission habe Österreich bereits eingeleitet, um überprüfen zu lassen, ob eine Wettbewerbsverzerrung vorliegt.

Das Gesetz orientiert sich ganz pragmatisch an dem bereits bestehenden Herkunftsnachweis, den Stromanbieter in der EU seit einigen Jahren grundsätzlich erbringen müssen. Auch in Deutschland muss jedes Energieunternehmen im Internet und auf der Stromrechnung ausweisen, aus welchen Quellen sein Strom zu welchen Anteilen stammt. In Österreich wird nun einfach festgelegt, dass in dem deklarierten Mix kein Atomstrom auftauchen darf. Dieses Verbot ist in eine verbindliche Selbstverpflichtung der Unternehmen verpackt.

Kein Vorbild für Deutschland

Praktikabel wird das Ganze durch eine neue Entwicklung. Bislang war der Stromeinkauf über die Börse problematisch, weil dort nur sogenannter Graustrom ohne definierte Umwelteigenschaften zu erwerben war. Diesem wurde auch immer ein Anteil Atomstrom zugerechnet. Nachdem aber Anfang Juni die Leipziger Energiebörse EEX ihr Geschäft um den Handel mit Herkunftsnachweisen erweitert hat, können die österreichischen Versorger ihren Strom mitsamt der notwendigen Ökozertifikate auch über die Börse erwerben.

Als Vorbild für Deutschland taugt das Konzept aus Österreich nur bedingt. Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, spricht von einem „interessanten Vorstoß“. Doch sei dieses Modell auf Deutschland „leider nicht übertragbar“, weil hier der Strommarkt anders funktioniere. So ergibt ein solcher Schritt erst dann Sinn, wenn die letzten heimischen Atommeiler abgestellt sind.

Überdies ist in Österreich, anders als in Deutschland, die Zahl der Stromanbieter überschaubar, zudem war das Dutzend Unternehmen bis auf wenige Ausnahmen bereits zuvor frei von Atomstrom. Zuletzt musste nur noch der Platzhirsch, die Verbund AG, die Selbstverpflichtung abgeben.

Und dennoch: sollte sich die EU am Ende für einen solchen nationalen Weg aufgeschlossen zeigen, dürfte auch in Deutschland die Debatte über ein Importverbot beflügelt werden. Schon jetzt sei das Interesse an dem Konzept groß, meint Campaignerin Kerschbaumsteiner.

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