Bundesliga-Spitzenreiter Hertha BSC: „Krasse Ansage an die Konkurrenten“

Unwiderstehlich schießt sich Hertha gegen Frankfurt an die Tabellenspitze. Übertriebene Euphorie kennt man in Berlin. Nun wächst die Angst vor dem Hochmut.

„Kniet nieder, wenn die Hauptstadt kommt!“ Bild: dpa

BERLIN taz | „Wir dürfen nicht vergessen, dass uns viele Vereine inzwischen weit voraus sind“, hat Hertha-Trainer Jos Luhukay auf der Pressekonferenz vor dem Spiel seiner Mannschaft gegen Eintracht Frankfurt gesagt. Es folgten einige weitere dieser Sätze, allesamt wie aus dem Lehrbuch „Wie dämpfe ich die Erwartungen des Umfeldes und der Medien“.

Beim Aufsteiger aus Berlin wissen sie nach zwei Ausflügen ins Unterhaus innerhalb von drei Jahren inzwischen sehr genau, dass Hochmut fehl am Platz ist. Die nüchterne Einschätzung des Aufstiegscoaches stünden derweil ganz gut Eintracht Frankfurt, dem Gegner zum Saisonstart, zu Gesicht, deren Anhänger nach einer Saison nah am Limit gerade ihren Europapokalträumen nachgehen, wie in ihren „Eintracht Frankfurt international“-Gesängen im und rund um das Olympiastadion überall zu hören war.

Luhukays Team, verstärkt um die vier Neuzugänge Alexander Baumjohann, Johannes van den Bergh, Sebastian Langkamp und Hajime Hosogai, die allesamt Platz in der Startelf gefunden hatten, arbeitete 90 Minuten konzentriert daran, Zweifel an der Zurückhaltung ihres Trainers aufkommen zu lassen.

Die Spieler in Blau und Weiß waren nach einer ausgeglichenen Anfangsviertelstunde ihren Konkurrenten in Rot-Schwarz in allen Belangen überlegen. 6:1 hieß es am Ende eines fast rauschhaften Fußballnachmittages, den alle Beteiligten nur schwer begreifen konnten. „Wir haben uns an den Kopf gefasst“, fasste Änis Ben-Hatira die Reaktion der Mannschaft auf ihre Leistung zusammen.

Offensive Klasse

Als Teil eines unwiderstehlichen Angriffstrios, zusammen mit Sami Allgui und dem durchsetzungsstarken Stoßstürmer Adrian Ramos, war Ben-Hatira maßgeblich an der Klasseleistung seiner Mannschaft beteiligt. Seinen Vorstößen und Dribblings über die linke Angriffsseite war die Frankfurter Abwehr ebenso wenig gewachsen wie jenen von Allagui über rechts.

Eine Kombination der drei sorgte dann auch für die 1:0-Führung nach 18 Minuten. Einen Konter, eingeleitet von Allagui, nutze Ben-Hatira zur präzisen Vorlage auf Ramos, der aus vollem Lauf vollendete. Prädikat bundesligareif. Und so ging es weiter. Nach gut einer halben Stunde traf bereits Verteidiger John Anthony Brooks 2:0.

Frankfurts Elfmeter-Anschluss (Meier, 37.) war nur ein trügerischer Funken Hoffnung, denn nach der Pause drehte Hertha richtig auf. Zwei weitere Treffer von Allagui und einer von Ramos schraubten die Führung auf 5:1. Den Schlusspunkt setzte dann Ronny, Held der Aufstiegssaison, der aufgrund des einen oder anderen Kilos zu viel zunächst Alexander Baumjohann auf der Position des Spielmachers den Vortritt lassen musste und nur die letzte Viertelstunde mitwirken durfte.

Nach einem nahezu perfekten Spiel, in dem Hertha vor allem durch das blitzartige Umschalten von Defensive auf Offensive zu überzeugen wusste, war die Freude verständlicherweise groß. Die Fans besangen die Position des „Spitzenreiters“, Ben-Hatira sprach von einer „krassen Ansage an die Konkurrenten“, und selbst Jos Luhukay ließ sich von der Euphorie etwas mitreißen und sprach vom „wunderschönen Tag für Berlin, die Mannschaft und die Fans“.

Freuen bis Dienstag

Dass es ebenso schnell wieder abwärts gehen kann, haben sie in Berlin jedoch in der jüngsten Vergangenheit lernen müssen. Neu-Kapitän Fabian Lustenberger, dienstältester Spieler im Team und durch zwei Abstiege gebrandmarkt, wusste um die Ausnahmesituation und meinte: „Es ist schon sehr speziell, dass jeder Schuss ein Treffer ist.“ Bis Dienstag wolle man sich nun freuen, sagte Luhukay, danach gelte es, sich mit derselben Akribie auf das Spiel in Nürnberg vorzubereiten.

Es sieht so aus, als haben sie im Verein begriffen, sich nicht von einem guten Spiel blenden zu lassen. Doch der Druck von außen wird nach diesem Auftakt unweigerlich wachsen. Auf dem Heimweg fragte ein Fan mit stolz geschwellter Brust, wann Hertha je als Tabellenführer der Bundesliga aus dem Stadion gegangen sei. Nun, so lange ist das nicht her. Vor viereinhalb Jahren erklommen die Berliner unter der Regie von Lucien Favre schon einmal die Tabellenspitze nach einem 2:1-Sieg gegen Bayern München. Was danach kam, ist bekannt.

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