Jetzt neu: Gratis baden mit Manz

■ Am Gerhard-Marcks-Haus feiert die politische Kunst ein Revival. Als Beitrag zur Ausstellung „Mythos Wasser“ hat Joachim Manz hinter dem Museum eine Badeanstalt für Mittagspäusler und andere Penner wie uns installiert

Die Gesellschaft für öffentliche Bäder hat Konkurrenz bekommen. Auf der Südseite des Gerhard-Marcks-Hauses gibt es jetzt in bester und vor allem sonniger Lage eine Badeanstalt. Unter Efeu und hinter Zedernholzlamellen kann sich die gestresste Büroangestellte oder der Wohnungs- oder Badlose hier entspannen. Und das Beste ist: Das Benutzen der Badeanstalt ist bis auf weiteres kostenlos, gratis, für lau, umsonst.

Der Bremer Künstler Jochim Manz hat diese Badeanstalt ersonnen und direkt unter dem Bildhauermuseum installiert. Sein auch ästhetisch überaus gelungenes Architekturkunststück mit Waschbecken, Dusche und Badewanne mitten in den lauschigen Wallanlagen ist ein Beitrag zum Projekt „Mythos Wasser“ des Gerhard-Marcks-Hauses. Durchaus verwandt mit dem Polit-Happening-Künstler Christoph Schlingensief trifft Joachim Manz ins Schwarze. Wie schon bei seinem Hamburger Projekt „Hütten“, wo er den Obdachlosen unter der Fleetbrücke der Ost-West-Straße noch heute benutzte Behausungen baute, stellt er die soziale Frage und liefert die Antwort gleich mit. In einer Gesellschaft, in der alles etwas kostet, ist seine Badeanstalt nämlich eine Provokation. In der Lust auf ein Bad werden die Unterschiede zwischen Underdogs und Erfolgreichen für einen Moment nivelliert. Einstweilen macht das Museum das Gratis-Angebot möglich. Die Gerhard-Marcks-Haus-Chefin Martina Rudloff würde die benutzbare Skulptur gerne auf Dauer behalten.

Manz' Badeanstalt ist der mit Abstand charismatischste Beitrag zum „Mythos Wasser“-Projekt des Bildhauermuseums. Neben ihm haben sich neun weitere KünstlerInnen daran beteiligt und steuern neue, zum Teil sogar eigens für die Ausstellung entstandene Objekte und Installationen dazu bei. Bei der Auswahl, sagt Rudloff, spielte viel Zufall mit. Aber das passt ja zum Thema. GaleristInnen halfen durch Empfehlungen dem Zufall auf die Sprünge. So haben Leute wie die Pariserin Esther Hess oder der Bremer Nikola Blascovic auf Zeit zusammen gefunden.

Die Hauptbotschaft dieser Ausstellung ist nicht neu. Denn freilich bilden die KünstlerInnen Wasser oder seinen Mythos nicht mehr figürlich ab, wie es noch der Hauskünstler Gerhard Marcks (1889-1981) getan hat. Die Quellnymphen und Wassergeister haben ausgedient. Heuer geht's abstrakter, metaphorischer und konzeptioneller zu.

Esther Hess, die große alte Dame unter den Ausstellungsbeteiligten, begibt sich auf die Spuren der Alchimisten. In ihrer Arbeit mit einem Endlostitel macht sie den Inhalt des Taus sichtbar: Wenn der „Atem der Erde“ verdunstet ist, bleiben Salze und sogar Schwefel übrig, den Hess in Schälchen angerichtet hat. Drum herum gruppiert sind Objekte mit einiger Symbolfracht: Schwere schwebende und liegende Platten sowie filigrane Skulpturen.

In dieser breiten Palette zwischen sozial engagierter Kunst à la Manz und dem Symbolismus à la Hess logieren die anderen acht KünstlerInnen. Nikola Blascovic lässt alle sieben Sekunden einen Tropfen in einen Wassereimer fallen, Heidemarie Dreßel hat eine grottenschön-vegetative Klang-Wasser-Installation aufgebaut, und die Nordafrikareisende Susanne Windelen kommt mit dem Gegenteil daher: Ihr Zeltdach im Mittelraum des Gerhard-Marcks-Hauses symbolisiert zwar auch das Fließende – nur rieselte hier Sand durch Stofftrichter auf den Boden und bildet dort die schönsten Hügel.

Die meisten Beiträge dieser Ausstellung sind gut, sinnlich, geben Anstöße und weiß ich was. Da baut zum Beispiel die ehemalige Stipendiatin in Worpswede, Lilli Fischer, ihre schon vor zehn Jahren entstandene Destillieranlage auf. Samt „Riesen Moorfeudel“, „Sink + Stinkstoffen“ sowie „Besucherspucke“ trifft diese Installation mit ihrem modrigen Charme direkt in die Magengrube. Doch gerade im Vergleich mit Joachim Manz' Badeanstalt fällt auf, wie sehr die Mehrheit der teilnehmenden KünstlerInnen mit der Suche nach dem Elementaren, nach kulturellen Wurzeln oder einfach nach Schönheit beschäftigt sind.

Schon im Mittelmeerraum hat der „Mythos Wasser“ einen viel handfesteren Charakter: Da wird mit Staudammprojekten und Fluss-umleitungen um den Zugang zum Wasser gekämpft. Und viele sagen, dass die Kriege der 21. Jahrhunderts ums Wasser geführt werden. Das muss man nicht unbedingt in einer Bremer Ausstellung thematisieren. Aber Joachim Manz zeigt, dass es auch hier etwas zu thematisieren gibt. So vermittelt die Ausstellung viele erfrischende Eindrücke, aber nur die Badeanstalt belebt richtig. Christoph Köster

„Mythos Wasser“ bis zum 17. September im Gerhard-Marcks-Haus; außer den Genannten beteiligen sich noch Tom Claassen, Thomas Huber, Achim Locke und Brigitta Forst an der Ausstellung. Öffnungszeiten: täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr. Weitere Infos unter www.marcks.de . Münzen für die Badeanstalt gibt es kostenlos im Museum.