Kantinen-Kulinarik: Kein Appetit auf Rassenhass

Von Speisekarten der Kantinen Hannovers ist der Begriff „Zigeunerschnitzel“ verschwunden. „Verboten haben wir nichts“, sagt der Stadtsprecher.

Ende der Diskriminierung: Schnitzel ohne Namen Bild: imago/Insadco

HANNOVER taz | Letztlich ist es keine Geschichte. Letztlich ist es eine Selbstverständlichkeit: „Es fühlen sich Leute durch das Wort verletzt, also verwendet man ihn nicht“, sagt Regardo Rose, der Vorsitzende des hannoverschen Vereins Forum für Sinti und Roma e. V., „so einfach ist das doch.“

Und während sich die Lebensmittelindustrie nach wie vor dagegen sperrt, auf die Bezeichnung „Zigeunersoße“ zu verzichten, hat Hannover gezeigt, dass er Recht hat. Es ist total simpel, ja sogar einfacher als einfach: „Für unsere Küchenchefs ist das auch gar kein Problem“, sagt Andreas Möser, Sprecher der Stadt, „die benutzen den Begriff schon seit Jahren nicht mehr.“

Schon vor Jahren nämlich hatte die Verwaltung auf das Problem hingewiesen – und darum gebeten, das einstige Modewort zu vermeiden. Als nun zur Grillsaison die Debatte um die Fertigsoßen hochkochte, und noch dazu der eigentlich verbannte Begriff auf einer Kantinenkarte aufgetaucht war, habe man die einschlägige Anweisung „noch einmal schriftlich erneuert und auf die gängige Praxis hingewiesen“.

Die Lokalzeitung Neue Presse hatte darin ein förmliches Wortverbot erkannt. „Verboten haben wir gar nichts“, sagt dagegen Möser. Und tatsächlich scheint die Praxis sich auch ohne Anweisungen durchzusetzen: „Wir haben eine Umfrage bei den Gastwirten gemacht“, berichtet Rose auf Nachfrage. „Die meisten haben versprochen, mit dem Wechsel zur Herbstkarte auch auf das Wort zu verzichten.“

Tatsächlich scheint die Bezeichnung keine 70 Jahre alt zu sein, erst ab 1972 steht das Kompositum im Duden.

Und viel länger ist wohl auch der von der Lebensmittelindustrie mit dem Verweis auf seine Tradition verteidigte Ausdruck „Zigeunersoße“ nicht in Gebrauch: Vokabeln wie Produkt kommen in dieser kulinarisch zweifelhaften Epoche in Mode. Die Diskussion, ob diese Produkte eher mit angenehmen Assoziationen verbunden seien, wollen Rose und sein Verein dabei nicht führen: „Ich schätze mal, ein Koch, der ein Juden-Schnitzel anbieten würde, könnte seinen Laden binnen zwei Tagen dicht machen“, sagt er der taz, „da ist doch egal, ob’s gut schmeckt.“ Vor allem aber wirke das Wort „Zigeuner“, unter dem ihre Völker seit dem 14. Jahrhundert zusammengefasst werden, gerade auch für viele junge Sinti und Roma „wie ein Stich, wie eine Kränkung“.

Bei den fraglichen Gerichten handelt es sich zudem nicht um Übernahmen aus der traditionellen Küche von Sinti, Roma oder Jenischen, sondern um Ableitungen aus dem Vorurteil, dass diese stark gewürzte Speisen mit viel Paprika essen würden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.