Ukraine-Berichterstattung der ARD: Unentschlossenes Bedauern

Die Tagesthemen müssen sich für einen Fehler in ihrer Ukraine-Berichterstattung öffentlich entschuldigen. Doch das wirkt sehr gezwungen.

ARD-aktuell-Chef Kai Gniffke entschuldigt sich. Mehr oder weniger. Bild: NDR/Holde Schneider

BERLIN taz | Ein großes Sorry an den Zuschauer, fast anderthalb Minuten lang und gesendet in den Tagesthemen: Das gibt es nicht oft bei der ARD. Am Mittwoch aber schon.

Der Grund: Die Tagesthemen vom 20. Mai. In denen wurde von der Ermordung zweier Anwohner durch die „neuen Machthaber“ – die ostukrainischen Rebellen – berichtet. Nur: Tatsächlich wurden die beiden Zivilisten nicht von Separatisten, sondern vielmehr von „ukrainischen Freiwilligenverbänden" ermordet. Diesen Fehler haben die Tagesthemen jetzt am Mittwoch öffentlich korrigiert und sich beim Publikum entschuldigt.

Zwei Tage vorher erst hat tagesschau.de einen Zwischenbericht zur Ukraine-Berichterstattung der ARD auf ihrem Blog veröffentlicht, mit dem sie auf die Kritik von „Nutzern, Zuschauern und Aufsichtsgremien“ eingehen wollen. Und in dem sie schreiben, sie sähen keinen Grund, sich für Fehler zu entschuldigen.

Veröffentlicht hat den Bericht Kai Gniffke, der ARD-aktuell-Chefredakteur und damit auch für die Tagestehemen sowie Tagesschau verantwortlich. Der Zwischenbericht sei das Ergebnis einer internen Diskussion von 30 Redakteuren und Redakteurinnen, schreibt er dort. Denn man wolle es sich auch „nicht zu einfach machen“ und alle Kritik „als gesteuerte Kampagnen und Spielwiese für Verschwörungstheoretiker abtun“. Obwohl, wie in den Klammern darauf gleich angemerkt wird, das trotzdem „zum Teil der Fall“ sei.

Unentschlossen

Trotzdem übt Gniffke im Zwischenbericht auch Selbstkritik. Wenn auch auf eine eher unentschlossene Art: „Möglicherweise“ sei man in der Berichterstattung zu leicht dem Nachrichten-Mainstream gefolgt, „vielleicht“ hätte man rechte Gruppen in der Ukraine früher thematisieren sollen, „eventuell.“ hätte man die Nato-Position noch kritischer hinterfragen können, schreibt er.

Und „der falsche Hubschrauber war sehr ärgerlich“, aber mit dem sei man wenigstens richtig, weil transparent, umgegangen. Diese Formulierung bezieht sich auf einen Zwischenfall im Mai, als die Tagesschau Bilder von einem Hubschrauberabschuss durch prorussische Separatisten zeigte – dafür allerdings Bilder verwendete, die in Wirklichkeit ein Jahr zuvor in Syrien aufgenommen worden waren. Die Sequenzen waren aus dem ukrainischen Fernsehen übernommen worden, das die Bilder zuvor gezielt manipuliert hatte.

Des Weiteren werden in der Zwischenbilanz angeschnitten: Die von ostukrainischen Rebellen entführten „OSZE-Beobachter“, die eigentlich Militärbeobachter ohne offizielle OSZE-Mission waren. Die hätte man, findet die Tagesschau,„eher“ anders betiteln können.

Und die russischen Interessen, die man in der allgemeinen Berichterstattung „vielleicht“ zu wenig für den deutschen Zuschauer „übersetzt“ hat. Findet die Tagesschau. Und weist trotzdem explizit darauf hin, dass sie keinen Grund sieht, ihrer bisherigen Berichterstattung „nun gar gegenzusteuern.“

Die Zwischenbilanz klingt sehr gezwungen und erzwungen war sie wohl auch: In den letzten Monaten waren Tausende Zuschauer Sturm gegen die ARD-Berichterstattung zur Ukraine gelaufen, der ARD-Programmbeirat hatte sie als „einseitig“ und „tendenziell gegen Russland gerichtet“ kritisiert.

Richtigstellung

Eine Stellungnahme musste her. Dass dann zwei Tage später gleich der nächste grobe Fehler in der Berichterstattung korrigiert werden muss, damit hatte die Redaktion wohl beim Verfassen des Zwischenberichts nicht gerechnet.

Dafür aber hat sie in diesem Fall angemessen reagiert: Die Richtigstellung wurde nicht nur um 22:45 Uhr in den Tagesthemen gezeigt, sie wurde auch auf //www.facebook.com/video.php?v=10152708947604407:Facebook und dem hauseigenen Blog veröffentlicht.

Allerdings erst jetzt, vier Monate nach dem Vorfall. Das ist spät, das Interesse an daran und dem Ukraine-Konflikt ist inzwischen schon wieder gesunken.

Oder, wie Chefredakteur Kai Gniffke in dem Zwischenbericht schreibt: „Der Krieg in Syrien und Irak sowie die Bombardements gegen den „Islamischen Staat” haben dem osteuropäischen Konfliktherd in den Nachrichten wieder den Rang abgelaufen. Der Pulverdampf über der Ukraine hat sich erst einmal verzogen.“

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