Kommentar Kerry-Besuch in Russland: Wohin die Reise gehen könnte

Bei US-Außenminister Kerrys Besuch in Sotschi gibt es Anzeichen für Entspannung im Ukraine-Konflikt. Der Ball liegt jetzt in Kiew.

Die Außenminister der USA und Russland, John Kerry und Sergei Lawrow, in Sotschi.

Es war der erste Besuch von US-Außenminister John Kerry in Russland seit zwei Jahren. Die russischen und amerikanischen Verhandlungspartner scheinen sich in Sotschi näher gekommen zu sein, auch in der Ukraine-Frage.

Wohin die Reise gehen könnte, hatte Denis Puschilin, der ständige Vertreter der Volksrepublik Donezk in der Kontaktgruppe, in der die ukrainischen Konfliktparteien, die OSZE und Russland vertreten sind, zuvor deutlich gemacht. Er könne sich für die Volksrepubliken des Donbass durchaus eine Autonomie nach dem Vorbild von Hongkong, Nordirland oder Grönland vorstellen.

Bei den Krisengesprächen zwischen US-Außenminister John Kerry und Kremlchef Wladimir Putin verständigten sich beide Seiten auf eine engere Kooperation in Sachen Ukraine und Syrien. Doch die großen Gräben bei den strittigen Themen ließen sich nicht überbrücken. Putin müsse stärker auf die Separatisten im Donbass einwirken, um den blutigen Konflikt politisch zu lösen, sagte Kerry im Schwarzmeer-Kurort Sotschi bei seinem ersten Krisengespräch in Russland seit zwei Jahren. Ein Sprecher von Putin lobte die vierstündigen Verhandlungen als konstruktiv und freundschaftlich. Putin habe mit Kerry über eine engere Zusammenarbeit bei der Lösung der Ukraine-Krise gesprochen, sagte Präsidentenberater Juri Uschakow. Zwar habe es keinen Durchbruch gegeben. Das Treffen in Putins Sommerresidenz mache aber Hoffnung auf eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen. (ap/dpa)

Dass ausgerechnet Puschilin, der noch im Mai 2014 Russland um einen Anschluss von Donezk gebeten hatte, von Autonomie spricht, zeigt, dass man in den nicht anerkannten Volksrepubliken kompromissbereit ist. Putin wird kein Zacken aus der Krone fallen, wenn er sich Puschilins Überlegungen zueigen macht.

Weniger kompromissbereit zeigt man sich hingegen in Kiew. Im Vorfeld der Kerry-Reise hatte der ukrainische Präsident Poroschenko eine Rückeroberung des Donezker Flughafens versprochen. Poroschenko müsste wissen, dass er dies nur durch neues Blutvergießen umsetzen kann. Und er müsste auch wissen, dass mit einer Eroberung dessen, was vom Donezker Flughafen übriggeblieben ist, eine Ausweitung der Kämpfe droht. Die Verhandlungspartner von Sotschi zeigten wenig Verständnis für Poroschenkos Äußerungen, Kerry sah in ihnen gar eine Bedrohung der Vereinbarungen von Minsk.

Die Ukraine hat ein Recht auf Unverletzlichkeit ihrer Grenzen. Bleibt zu hoffen, dass sie ihre territoriale Integrität ausschließlich mit diplomatischen Mitteln wiederherstellt und sich nicht die Separatismus-Bekämpfung des Nachbarn zum Vorbild nimmt. Zu hoffen ist auch, dass die jeweiligen Sponsoren der Konfliktparteien ihren Einfluss auf diese im Sinne einer nichtmilitärischen Regelung nutzen. Hongkong könnte ein Vorbild sein, Tschetschenien nicht.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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