Wie der Chemnitzer FC mit Rechten umgeht: Ultras, NS-Boys und die Kurve

Ultras des Chemnitzer FC inszenieren sich als Opfer einer medialen Hetzjagd. Wer wissen will, wie eng die Kontakte der Fangruppierung zur rechtsextremen Szene sind, wird bedroht.

Diese Fans sind ultra. Bild: screenshot www.ultras-chemnitz.com

Keine Kooperation mit der überregionalen Presse, heißt die Devise bei der Ultra-Fanbewegung des Chemnitzer FC. Erst recht nicht, wenn es um dieses Thema geht: Verbindungen zur rechtsextremen Fanszene.

Entsprechend harsch fiel vor gut einer Woche die Reaktion auf die Anfrage aus, weshalb der Fanklub "Ultras Chemnitz 99" auf seiner Homepage einen Link zu den einer Gruppe namens "NS- Boys" geschaltet hätte: "Wir untersagen Ihnen hiermit, den Namen ,Ultras Chemnitz 99' sowie die Namen einzelner Personen, vor allem meiner, in geplanten Veröffentlichungen zu verwenden." Und in einer zweiten Mail warnte Ronny Licht, der Ansprechpartner der "UC 99": "Gerade als freier Journalist sollten Sie wissen, dass eben kein großes Verlagshaus mit gut bezahlten Anwälten hinter Ihnen steht."

Ein Verbot und ein Einschüchterungsversuch. Eine Antwort gab es zudem auch. Licht bekannte sich streng vertraulich zu dem Link und schrieb, die NS-Boys gehörten zur Chemnitzer Fanszene. Auf deren Internetseite wären schließlich keine strafrechtlichen Inhalte zu finden.

Sven-Uwe Kühn, der Pressesprecher vom Chemnitzer FC, distanzierte sich hingegen eindeutig von den NS-Boys. Er sagte, diese Gruppierung wäre im Verein aufgrund ihrer Gewaltbereitschaft und rechtsextremen Gesinnung unerwünscht. Deshalb habe man im Frühjahr 2006 den NS-Boys, deren Kürzel für "New Society" steht, ein Stadionverbot erteilt.

Pikant ist nun allerdings, dass sich die "Ultras Chemnitz 99" rühmen, die erste deutsche Ultra-Gruppierung zu sein, die ihrem Verein als Werbepartner zur Seite steht. Kühn bestätigte, dass das Geld der Ultras (ein vierstelliger Betrag) dem Oberligaaufsteiger im Sommer in quasi letzter Minute die Regionalligalizenz gerettet habe.

Angesprochen auf die Verlinkung zwischen den Ultras und den NS-Boys sagte der CFC-Pressesprecher: "Davon weiß ich nichts und das überrascht mich." Doch warum hat sich der Chemnitzer FC nicht im Vorfeld mit der Außendarstellung seines Werbepartners beschäftigt?

Kühn erklärte, bei etwa 300 Geschäftspartnern könne man nicht jede einzelne Website überprüfen. Dass Kühn die Ultras in eine Reihe mit Bäckereien, Metzgereien und einem Baby- und Kinderladen stellt, die auch den Chemnitzer FC unterstützen, kann durchaus als verwegen bezeichnet werden.

Denn auch er weiß, dass die NS-Boys ursprünglich als Nachwuchsorganisation der Ultras gegründet wurden. Der CFC-Sprecher machte aber darauf aufmerksam, dass die Ultras am 25. Juni 2006 die NS-Boys wegen ihrer politischen Orientierung und Gewaltbereitschaft aus ihrer Organisation herausgelöst und sich von ihnen distanziert hätten. Er versicherte, er werde mit den Ultras über den bestehenden Link reden.

Zwei Tage später berichtete Kühn nach der Kontaktaufnahme mit Ronny Licht: "Es hat keinerlei Diskussionen gegeben. Der Link wird von der Seite genommen." Er sei ein Relikt aus alten Zeiten gewesen.

Die Aussage von Licht, dass er die NS-Boys nach wie vor zur Chemnitzer Fanszene zähle, wollte er nicht kommentieren. Am 12. September wurde der Link dann tatsächlich gelöscht. Jedoch nicht nur dieser, sondern auch alle anderen Verknüpfungen zu Chemnitzer Fanclubs, als wollten die Ultras damit still demonstrieren, dass man die Fanszene nicht auseinanderdividieren lasse.

Ronny Licht von den "UC 99" verweist darauf, dass die Fans des CFC in den letzten Jahren nur einmal auffällig geworden wären. Für ihn rechtfertigt das scheinbar die Verbrüderung mit der rechtsextremen Fanszene vor "Angriffen" von außen. Er sieht sich in einer "Zeit der Hetzjagden auf ostdeutsche Szenen".

Dem Chemnitzer FC kann man im aktuellen Fall zugute halten, sofort reagiert zu haben. Diese Geschichte verdeutlicht aber auch: Gehandelt wird meist nur auf Druck von außen. So organisierte bis ins Frühjahr 2007 Thomas Haller, der Gründer der Chemnitzer Hooliganbewegung "Hoonara" (Hooligans-Nazis-Rassisten), den Ordnerdienst beim Chemnitzer FC.

Erst nachdem dieser durch ein Interview mit dem inzwischen eingestellten Fußballmagazins Rund in die Öffentlichkeit trat, wurde Haller wegen vereinsschädigender Äußerungen der Vertrag gekündigt.

Vor knapp drei Wochen tauchte kurzzeitig wieder ein "Hoonara"-Transparent im Chemnitzer Stadion auf. Mitglieder einer 50-köpfigen Gruppe hatten es aufgehängt, als Türkiyemspor Berlin zu Gast war. Zudem wurde gegrölt: "Berlin bleibt Deutsch" und "Wir kommen euch besuchen bald… im KZ von Buchenwald!" Die Polizei stellte fest, dass der Großteil der Krakeeler von außerhalb kam und nichts mit der Chemnitzer Fanszene zu tun hat.

Verwunderlich ist indessen auch in dieser Angelegenheit das zögerliche Verhalten des Vereins. Drei Tage benötigte der CFC, um sich in einer Presseerklärung von den rassistischen Rufern zu distanzieren. Pressesprecher Kühn erklärt, man hätte sich erst einmal klar werden müssen, was eigentlich passiert gewesen wäre. Vielleicht taktierte der CFC aber auch, um nicht selbst Auslöser negativer Schlagzeilen zu sein. Der Skandal wurde nämlich erst zwei Tage nach dem Spiel öffentlich diskutiert, weil der im Stadion anwesende Integrationsbeauftragte von Berlin, Günter Piening, Stellung zu den Vorfällen bezog.

Vom DFB wurde der Verein diese Woche nun mit 5.000 Euro zur Kasse gebeten. Außerdem darf das nächste Heimspiel nur vor 1.000 Zuschauer ausgetragen werden. Ronny Licht ist nun über Piening erbost. Der hätte mit seinem angekündigten Besuch die rechtsextremen Fans angelockt, schreibt er in einem Fanforum. Diese verschrobene Sichtweise findet dort viele Freunde. Aber es gibt auch einige, die die Fans und den Verein auffordern, sich endlich entschiedener von der rechten Szene abzugrenzen.

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