Pro & Contra Mauerpark-Kompromiss: Nachbessern oder nachtreten

Der Mauerpark wird ausgebaut, allerdings kleiner als geplant. Ist das ein Kompromiss, der in die richtige Richtung weißt? Oder entsteht dort nur ein Mahnmal gegen die Privatisierung des öffentlichen Raums?

Nachbessern statt nachtreten

Pro Kompromiss Uwe Rada

Am Mauerpark ist schiefgelaufen, was nur schieflaufen konnte, allem voran die Übertragung der ehemaligen Bahngrundstücke an die Vivico. Neu ist das freilich nicht. Neu ist der Kompromiss, den Vivico und das Bezirksamt Mitte vorgelegt haben. Und der weist in zwei Punkten in die richtige Richtung.

Das betrifft zunächst die Öffnung des Parks zum Wedding. Falls es jemand vergessen haben sollte: Der Mauerpark gehört nicht nur der Prenzelberger Szene. Oder doch? Die hartnäckige Weigerung des Pankower Bezirksamts, einen Kompromiss zu suchen, könnte vermuten lassen, dass der Status quo das kleinere Übel wäre. Und dazu gehört auch ein Metallzaun zwischen Szenebezirk und sozialem Brennpunkt. So aber kommen die Weddinger gleich auf mehreren Wegen in den Mauerpark.

Zweitens: Je höher die Vivico bauen darf, desto mehr Park kommt dazu. Die fünf Hektar Parkfläche, die der Kompromiss vorsieht, sind fast eine Verdoppelung. Bisher hat der Mauerpark acht Hektar. Dem Zugewinn tut auch der Hinweis auf eine 6- bis 7-geschossige Wohnbebauung keinen Abbruch. Wären die Gewerberiegel auf Weddinger Seite weg, wie von den Bürgerinis gefordert, würde der Park halt auf einen Wohnriegel der Degewo treffen. Eine Mauer sieht da nur, wer eine sehen will.

Bleibt die Frage nach Nutzungskonflikten. Hier muss dringend nachgebessert werden, etwa mit einem Mischgebiet an der Bernauer Straße. Denn eine Spaltung droht tatsächlich: die zwischen dem Bezirk Mitte, der sich im Streitfall auf die Seite der Bewohner schlägt, und Pankow auf der Seite der Parkbenutzer.

Mahnmal gegen die Privatisierung

Contra Kompromiss Gereon Asmuth

Der Mauerpark wird ein Stück erweitert, dafür darf der Grundstückseigner ein anderes Stück bebauen. Das mag man pragmatisch finden. Oder auch nicht. Doch eins ist unübersehbar: Der Mauerpark wird umgebaut. Zum Mahnmal gegen die Privatisierung öffentlichen Raums.

Mittes Baustadtrat trägt am wenigsten Schuld. Verbockt wurde das Projekt schon vor Jahren. Das Areal gehörte einst - wie alle Bahngrundstücke in Ost- wie Westberlin - zur volkseigenen Reichsbahn. Als Anwohner 1990 erstmals vom Mauerpark träumten, kam die Reichs- zur Bundesbahn. Die übertrug ungenutzten Grund an den Bund - um fit für die Börse zu werden. Der gab sie an den zwar staatseigenen, aber profitorientierten Verwerter Vivico weiter. Dessen Verkauf an einen Österreicher spielte da auch schon fast keine Rolle mehr. Der Freiraum für öffentliche Gestaltung war futsch.

Trotzdem wäre der Park noch zu retten. Wenn die Einnahmen aus der Privatisierung dazu verwendet würden, deren gröbste Fehler zu reduzieren. Aber dafür müssten Bundespolitiker nicht nur an den Bundeshaushalt, sondern auch mal an eine Bezirkskasse denken. Eine leider allzu utopische Vorstellung.

Realistischer wäre es, wenn der Senat über seinen Schatten springen und das Areal kaufen würde. An anderer Stelle geht das schließlich auch. Etwa für den Ausbau der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße oder der Autobahn in Treptow. Wenn Politik gestalten will, dann schafft sie das auch bei leeren Kassen. Wenn nicht, entsteht nur ein Denkmal für die Ohnmacht der Stadtplaner, die nicht mal aus volkseigenem Grund eine Wiese machen können.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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