Illegaler Organhandel in China: Hingerichtet und ausgewaidet

Der illegale Handel mit Organen blüht, da es an Spendern mangelt. Vielfach werden aber auch Todeskandidaten nach ihrer Exekution zu Transplantionszwecken missbraucht.

Obwohl "Transplantationstourismus" nach China verboten ist, werden immer wieder ausländische Kranke mit falschen Papieren aufgenommen. Bild: ap

PEKING taz | Die Polizei schlug in der Nacht zum 3. September zu. In Qingdao an der Ostküste Chinas spürte sie bei einer Razzia 13 Männer auf, die sich auf ein ganz besonderes Geschäft eingelassen hatten: Die Tagelöhner aus allen Ecken des Landes wollten ihre Nieren verkaufen. Der Zwischenhändler, der sich "Alter Wang" nennen ließ, hatte ihnen dafür einen Batzen Geld versprochen.

Der Handel mit Organen ist in China verboten - und doch sind Berichte wie über die "Nierenfreunde" (Pekinger Zeitung Xinjingbao) keine Seltenheit. Weit über eine Million Chinesen, so schätzen Experten, warten dringend auf eine fremde Niere, eine Leber, ein Herz. Die meisten hoffen vergeblich: Nur etwa zehntausend Patienten erhalten jedes Jahr ein neues Organ.

Denn in der Volksrepublik ist die Zahl freiwilliger Spender kleiner als in vielen anderen Staaten: Zwischen 2003 und August 2009 erklärten sich nur 130 Bürger bereit, ihre Organe verpflanzen zu lassen, berichtete in der Zeitschrift Caijing Professor Chen Zhonghua von der Shanghaier Tongji-Universität. Wie kann es sein, dass Chinas Hospitäler jährlich trotzdem zehntausend Organe verpflanzen?

Die Antwort verweist auf ein trübes Kapitel der chinesischen Medizin: Präzise Zahlen fehlen, weil es kein zentrales Spendersystem gibt. Im günstigen Fall erhalten Patienten ganz legal ihre Niere von lebenden Verwandten. Die große Nachfrage lässt aber auch kriminelle Geschäfte mit Organen blühen.

Hauptquelle für Transplantationsmediziner in China sind jedoch die Hinrichtungsstätten des Landes. Laut Caijing stammen 90 Prozent der verpflanzten Organe von Exekutierten. Laut China Daily leben 65 Prozent aller Empfänger mit Organen Ex-Gefangener. Die Dunkelziffer ist enorm. Dass Hinrichtungen und Organspenden zusammenhängen, ist unbestritten. Aber wie viele Todesurteile in China in den letzten Jahren verhängt wurden, ist unbekannt.

Dass zum Tode Verurteilte als Organreserve dienen, stößt zunehmend auch in China auf Kritik. Gefangene seien "ganz gewiss keine angemessene Quelle für Organverpflanzungen", sagt auch Vize-Gesundheitsminister Huang Jiefu. Chinesische Anwälte fürchten, dass sich Richter bei Urteilen durch den großen Bedarf an Organen leiten lassen. Vizeminister Huang ist selbst Arzt und versucht, die Transplantationsmedizin zu reformieren. Lebende Spender dürfen ihre Niere seit 2007 nur noch direkten Verwandten oder Ehepartnern geben. Organe von Häftlingen dürfen nur entnommen werden, wenn sie vor der Exekution schriftlich zugestimmt haben.

Nur lizenzierte Ärzte dürfen Organe transplantieren, in 164 anerkannten Kliniken. Diese können weitgehend entscheiden, wer ein Organ erhält. Viele wichtige Fragen bleiben ungeregelt: Wann dürfen Organe entnommen werden?

Wer ein neues Organ - bekommt, muss das Geld dafür in der Regel selbst aufbringen. Die Operation kostet mindestens 10.000 Euro. Für viele chinesische Familien ist das eine große Summe, für reiche Patienten im In- und Ausland aber günstig.

Obwohl "Transplantationstourismus" nach China verboten ist, werden immer wieder ausländische Kranke mit falschen Papieren in Transplantationschirurgien aufgenommen, berichten Chinas Medien. Um den Eingriff zu vertuschen, erhalten die Empfänger chinesische Namen.

Um Licht ins Dunkel zu bringen und kriminelle Machenschaften zu unterbinden, will das Gesundheitsministerium künftig mit dem Roten Kreuz ein nationales Organspende-System mit landesweiter Datenbank einrichten. Zugleich sollen die Chinesen aufgefordert werden, einen Spenderpass zu beantragen.

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