Umsatzsteuerstreit bei Berliner Clubs: Im Würgegriff des Fiskus

Ein Finanzamt droht Clubs mit massiven Steuerrückzahlungen. Der Grund: die Betreiber profitieren von Steuersätzen, die eigentlich nur für Konzertbetriebe gelten.

Sind das jetzt nur Plattenspieler? Oder doch musikalische Instrumente? Ein Fall für den Steuerprüfer Bild: dapd

Als Marcus Trojan unlängst Post vom Finanzsenator bekam, ahnte er nichts Gutes. Zurecht: Weil es in seinem Mitte-Club "Weekend" zwar viele Tanzbewegungen gebe, aber nicht jeder an der Tür Zutritt erhalte, handele es sich bei seinem Betrieb um eine diskothekenähnliche Einrichtung, hieß es da. Trojans Bemühungen um eine Einstufung als steuerbegünstigter Konzertbetrieb waren damit gescheitert. Außerdem muss er nun anderthalb Jahre Umsatzsteuer nachzahlen. "Das tut weh, aber es wird uns nicht umbringen", sagt Trojan. Für einige Kollegen aus der Szene werde die Amtspost aber dramatischere Folgen haben. "Die müssten Steuer für fünf Jahre nachzahlen und können dann Insolvenz anmelden".

Grund für das Ungemach: Das Finanzamt sägt an Steuerprivilegien. Wer Konzerte veranstaltet, muss weniger Umsatzsteuern von den Einnahmen an der Tür abgeben. Statt 19 will der Staat nur 7 Prozent vom Umsatz durch Eintrittsgelder haben. Von dieser Vergünstigung profitieren auch viele Clubs - mit Genehmigung von ganz oben: 2005 urteilte der Bundesfinanzgerichtshof (BFH): Eine "Techno-Veranstaltung kann ein Konzert … sein". Wann eine Techno-Party ein Konzert ist, hat der BFH mit Urteil vom 18.08.2005 entschieden. Er kam zu dem Ergebnis, bei "Musik, die durch Verfremden und Mischen bestehender Musik entsteht, können Plattenteller, Mischpulte und CD-Player Instrumente sein, wenn sie (wie konventionelle Musikinstrumente) zum Vortrag eines Musikstücks und nicht nur zum Abspielen eines Tonträgers genutzt" werden. Als Folge dieses Urteils forderten einige Clubs die Differenz zur Regel-Umsatzsteuer vom Finanzamt zurück. Zum Beispiel das Watergate in Kreuzberg. "Wir haben ohne Probleme das Geld für drei Jahre zurückbekommen", sagt Betreiber Steffen Hack. Einer Steuerbeamtin habe man vor Ort erklärt, wie die Arbeitsweise der DJs im Watergate funktioniert - seitdem sei der ermäßigte Steuersatz abgesegnet. "Vielleicht haben wir aber auch nur Glück mit unserem Finanzamt", sagt Hack und schimpft auf die Willkür der Behörden. "Es kann nicht sein, dass Unternehmer von der Gnade eines Beamten abhängig sind - wer vernünftig wirtschaften will, braucht Planungssicherheit."

Offenbar ist es nur das für Friedrichshain und Mitte zuständige Finanzamt II, das den Clubs nun Ärger macht. In dessen Einzugsgebiet liegen allerdings so prominente Clubs wie das Berghain, das Cookies und das Weekend. Von denen fordert das Finanzamt nun, die Kasseneinnahmen mit 19 statt 7 Prozent zu versteuern. Und zwar rückwirkend für die letzten Jahre - eine Nachforderung, die in Millionenhöhe gehen kann. "Das wäre eine Katastrophe", sagt Heinz Gindullis, Betreiber des Cookies in der Friedrichstraße. "Berlin ist eine arme Stadt, die Clubs haben es schon schwer genug". Gindullis selbst befindet sich seit zwei Jahren im Dauerclinch mit dem Finanzamt, das seine Veranstaltungen nicht als konzertähnlich anerkennen will. Weil es weder Plakate noch Kartenvorverkauf gibt, gilt das Cookies als "diskothekenähnlicher" Betrieb. So muss Gindullis 19 Prozent Umsatzsteuer zahlen, hat dagegen aber Klage eingereicht. Zusammen mit der Club Commission, die als übergeordnete Interessenvertretung für die Clubs kämpft, hofft Gindullis, einen Sieg über die Finanzbeamten zu erringen. Bis dahin wartet er erst einmal ab. Angst hat er nicht - "nach so vielen Jahren in der Gastronomie hat man schon Schlimmeres erlebt", sagt er. Das Berghain am Ostbahnhof wollte sich zu etwaigen Problemen mit dem Finanzamt nicht äußern.

Ben de Biel, Betreiber der ehemaligen Maria am Ostbahnhof, versteht zwar die Sorge seiner Kollegen vor massiven Rückzahlungen. Grundsätzlich findet er aber, dass Clubs genauso viel Umsatzsteuer zahlen sollen wie andere Wirtschaftsbetriebe auch. "Es sollte einen einheitlichen Steuersatz für alle geben, eine Bevorzugung bestimmter Gruppen ist gesellschaftlich ungerecht", findet er. Obwohl seine Maria im Hoheitsgebiet des ungnädigen Finanzamts lag, hat de Biel keine Post bekommen. Das liege daran, dass er sich bei der Beurteilung seiner Veranstaltungen strikt an die Empfehlungen seines Steuerberaters gehalten habe. Nervig und "teilweise hochabsurd" sei das gewesen, aber dafür habe er jetzt seine Ruhe. Diese Ruhe dürfte derzeit eine Ausnahme sein im Berliner Nachtleben.

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