Kolumne Vuvuzela 23: Deutschland, ein Zauber-Märchen!

Wer mit den Zauber-Menschen draußen in unserem Zauber-Lande spricht und ihnen zuhört, der sieht: Unser WM-Traum ist ein gutes Stück Wirklichkeit.

So ein Tag, so wunderschön wie heute, der wird nie mehr vergeh’n! Wie sieht er aus, der erste Montag nach der Hammer-Wahnsinns-Zauber-Rausch-4:0-Party gegen Maradona (49)? Ein ganz normaler Alltag-Montag? Ernüchterung, Kater, schlechte Laune? Keine Spur!

Wer durch unsere Zauber-Städte und Zauber-Dörfer fährt, wer mit den Zauber-Menschen draußen in unserem Zauber-Lande spricht und ihnen zuhört, der sieht: Unser Traum von einem schönen, fairen, beschwingten, souveränen, nachhaltigen, elektro-auto-korso-fahrenden, rauch- und heldenfreien, von-Michael-(33)-und-allem-anderen-Ballast-befreiten, Kevin-Prince-Boateng-(23)-endlich-mit-dem-Bundesverdienstkreuz-dankenden, puder-zucker-honig-süßen, fabelhaften Sexy-Chilly-Funky-Punky-Trendy-Super-Duper-Knuddel-Wahnsinns-Märchen-Zauber-Deutschland ist schon jetzt (!), schon heute (!!), schon vor dem Halbfinale (!!!) ein gutes Stück (!!!!) Wirklichkeit (!!!!!).

Dank euch, Zauber-Jungs, haben die Menschen mehr als ein gemeinsames Thema, über das sie reden können. Sie haben ein gemeinsames Ziel, einen gemeinsamen Traum. Der kapstadteske Teamgeist von Kapstadt – er hat uns alle verzaubert!

Niemand vergräbt mehr in der U-Bahn sein Gesicht in der Zeitung. Die Menschen reden, scherzen, diskutieren miteinander. Oder sie lesen die Zeitung zusammen. Vormals einander wildfremde, jetzt zu Zauber-Fans vereinte Menschen zeigen sich, als würden sie in einem Familien-Foto-Album blättern, gegenseitig die tollen Bilder von unseren Zauber-Jungs. Jeder von ihnen hat diese Bilder schon tausendmal gesehen, aber es ist sooooo schön, diesen Zauber-Samstag noch einmal zusammen zu erleben.

In Büros und Fabrikhallen, Ämtern und Redaktionen, Schulen und Universitäten – keiner empfindet die Arbeit mehr als Last, jeder weiß, dass sein Beitrag wichtig ist, jeder hilft dem anderen, egal, ob er Krause, Yilmaz oder Wisniewski heißt. Denn dank euch, Zauber-Jungs, wissen wir: Es geht nur zusammen!

Im Betrieb, im Bus, auf der Straße , im Café, im Supermarkt, im Park, im Mehrfamilien- und im Reihenhaus – ganz Deutschland eine feiernde Fan-Meile, eine diskutierfreudige Groß-WG, ein quirliges Start-up-Unternehmen, ein kuscheliger Kirchentag, eine tanzende Love-Parade, ein fleißiger Bienen-Stock, ein tabuloser Swinger-Club, ein dialogbereiter „Tag der offenen Moschee“, eine Pech-und-Schwefel-mäßig zusammenhaltende Familie, eine konzentrierte Mannschafts-Sitzung, eine Facebook-Seite mit 80 Millionen kommentierwütigen Freunden, jetzt mal ganz im Ernst! Und dazu dieses Wetter! „Das Wetter ist traumhaft“, bestätigt taz-Expertin Ines Pohl (43).

Ganz vorn dabei: unsere Girls! Die lassen nicht nur in ihren sexy schwarz-rot-goldenen Tops ihre Zauber-Bälle für Deutschland hüpfen. taz.de-Recherchen (diese von 8.47 Uhr, Bus M29, Berlin-Kreuzberg) beweisen: Die Girls sind emanzipiert, interessieren sich wirklich für Fußball, diskutieren darüber, welcher unserer Ersatz-Zauber-Jungs den durch fiese FIFA-Sperre fürs Halbfinale (Mittwoch, 20.30 Uhr, Termin unbedingt vormerken!) gesperrten Knüller-Müller (20) am besten ersetzen kann. „Power-Piotr (26)“, sagt die schwarzhaarige Deutschland-Maus, „Top-Toni (20)“, meint die rothaarige, „Marko-Fantasto (21)“, die blonde. Und dann, ja dann rufen die schwarz-rot-blonden Deutschland-Mäuse aus einer Kehle: „Jeder! Jeder! Denn wird sind ein Team!“

***

Jetzt zu euch, liebe Holländer. Noch einmal sind wir – ausnahmsweise – für euch. Bitte, bitte putzt diese miesen Schummel-Dusel-Doppelhand-Urus, die unsere Adoptiv-Zauber-Jungs Gyan (24) und Kevin (23), die Ghana, Ganz-Afrika und uns haben weinen lassen, genauso weg, wie ihr die Beton-Brasis weggeputzt habt. Denn so Weltklasse die Uru-Schiris sind, so fiese Afrika-Feinde sind die Uru-Kicker. Und so was hat bei einer weltmeisterlich Weltmeisterschaft (noch dazu: bei der ersten in Afrika!) nichts verloren!

Wenn ihr diesen Job erledigt habt (wir werden unseren auch erledigen, Ehrenwort), gibt’s zur Belohnung Lekker Kaas (Holländisch für „Traum-Finale“). Wahnsinn!

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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