Überfall: Nazis? Nicht bei uns!

Nach einem Überfall von Neonazis auf Jugendliche im Kreis Harburg hüllte sich die Polizei in Schweigen. Das sei "auf höherer Ebene" so entschieden worden, sagt ein Sprecher.

Umtriebig: rechte Kameraden aus Tostedt. Bild: Recherche Nord

Die Wände waren voller Blutspritzer, auf dem Boden des Hausflurs hatten sich Blutlachen gebildet. Die Spuren stammten von einem Überfall, bei dem Neonazis am Pfingstmontag im niedersächsischen Wistedt Jugendliche in einem Wohnhaus angegriffen hatten. "Mit Spaten und Stahlrohren schlugen die auf drei von uns ein", sagt Frank Mayer (Name geändert). Eine Pressemitteilung der Polizei zu dem Vorfall findet sich nicht - bis heute.

Nach dem Übergriff in Wistedt, keine drei Kilometer von Tostedt im Kreis Harburg entfernt, gab es anfänglich nur Gerüchte. Die Betroffenen, acht Schüler im Alter um die 16 Jahre, wagten zunächst nicht, mit der Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. "Wir waren einfach total geschockt", sagt Mayer.

Der Angriff richtete sich gegen Martin Schmitt, der in dem Haus wohnt. Die Neonazis stört, dass er als Antifaschist auftritt. Am 23. Mai gegen 24 Uhr sollen zunächst zwei Neonazis, die von einer Party kamen, an dem zweistöckigen Wohnhaus vorbeigeschaut haben. Drei der Freunde standen vor dem Haus, als auf einmal an die fünfzehn Neonazis kamen, bewaffnet mit Spaten, Stahlrohren und anderen Schlaggegenständen. Die Angreifer, die zu den regionalen Gruppen "Nationaler Widerstand Tostedt" und "Gladiator Germania" gehören sollen, waren nicht vermummt. Kaum waren sie am Haus angelangt, drangen sie gewaltsam in die Wohnung vor. Im Flur schlugen sie auf die drei Freunde ein - auch als die schon am Boden lagen. Eines ihrer Opfer erlitt einen Nasenbeinbruch und eine Amnesie. Platzwunden im Gesicht mussten bei einem anderen genäht werden. Beim dritten Opfer ist eine Armsehne gerissen.

Mittelpunkt der rechten Szene in der Region ist seit Jahren der Laden "Streetwear Tostedt" von Stefan Silar. Um den Laden haben sich die Gruppen "Nationaler Widerstand Tostedt" und "Gladiator Germania" gebildet. Silar, der 1992 mit einem Kameraden Gustav Schneeclaus erschlug, weil dieser gesagt habe: "Hitler war der größte Verbrecher", gilt als Anführer.

"Die Nazis pilgern regelrecht zu dem Laden", sagt ein Mitglied der Christlichen Jugend Tostedt (CJT). "In dem Ort stört das niemanden", sagt ein Angehöriger der örtlichen Jugendfeuerwehr. Auf der Straße oder bei Stadtfesten komme es immer wieder zu Übergriffen. AS

In der Wohnung riefen die anderen Jugendlichen weitere Freunde zu Hilfe. Als diese eintrafen, kam es zu einer Schlägerei vor dem Haus. Die Neonazis flohen. Zur Überraschung der Angegriffen ging die ebenfalls herbeigerufene Polizei sofort gegen sie vor. "Wir waren total verwirrt, als die Polizei versuchte, die Wohnung zu stürmen", sagt Mayer.

Vorwürfe, die Jan Krüger, Polizeipressesprecher der Inspektion Harburg, nicht bestätigen möchte. Als die Beamten eintrafen, hätten sie die Personalien feststellen wollen, sagt er. Von einem politischen Konflikt wolle er nicht gleich ausgehen. "Wir wissen von dem Beginn der Auseinandersetzung noch zu wenig", sagt Krüger. Er räumt aber ein, dass gegen neun Personen aus der rechten Szene ermittelt wird. Warum keine Pressemitteilung erfolgte beantwortete er so: "Auf höherer Ebene wurde entschieden, nur auf Nachfrage zu informieren."

Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im niedersächsischen Landtag, kündigte an, eine kleine Anfrage zu stellen. "Wir wollen wissen wer solche Entscheidungen trifft", sagt er. Es gehöre zu den staatlichen Aufgaben, über die gefestigten rechten Strukturen in der Region zu informieren.

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