Parteiwechsel: "Migranten sind mobiler"

Zwei Abgeordnete, die ihre Fraktion verlassen haben, sind Migrantinnen. Der Migrationsforscher Klaus Bade sagt: Wir sollten nicht alles, PolitikerInnen mit Migrationshintergrund tun, nur vor diesem Hintergrund bewerten.

taz: Herr Bade, drei Abgeordnete haben zuletzt ihre Parteien verlassen, zwei davon sind Migrantinnen. Gibt es da einen Zusammenhang?

Klaus Bade: Ich gehe davon aus, dass die Parteiwechsel der beiden Abgeordneten nicht vornehmlich mit deren Migrationshintergrund, sondern mit Sachargumenten zu erklären sind. Diese wiederum haben aber in beiden Fällen ja durchaus etwas mit integrations- und migrationspolitischen Fragen zu tun. Und das leuchtet auch ein: Es geht um explosive Kernfragen der Einwanderungsgesellschaft, um Themen, die zunehmend in den politischen Vordergrund rücken - auch mit Blick auf Wählerstimmen. Das führt zu Bewegung zwischen den Parteien.

Untersuchungen ergaben, dass sich MigrantInnen, gerade hoch qualifizierte, durch besondere Mobilität auszeichnen. Zeigt sich das auch hier?

Tatsächlich sind Menschen mit Migrationshintergrund oft mobiler als Menschen ohne. Das liegt auch daran, dass ihnen häufig gar nichts anderes übrig bleibt. Zudem ist Migration eine Art Selbstauslese: Es migrieren ja nicht die Entscheidungsschwachen, Ängstlichen, Risikoscheuen, sondern die Selbstsicheren und Entscheidungsstarken. Daraus aber Schlüsse auf die konkreten Fälle zu ziehen, wäre falsch. Da liegt die Migration lange zurück, die beiden Politikerinnen sind Deutsche wie Sie und ich.

Die Entscheidung für eine Partei hängt mit dem sozialen Milieu zusammen, in dem man aufwächst - ist das vielleicht bei MigrantInnen noch offener und lässt mehr Bewegung zu?

Ich würde nicht wagen, aus diesen zwei Fällen anthropologische Argumente abzuleiten. Anzunehmen ist aber, dass jemand mit Migrationshintergrund darauf, wie integrations- und migrationspolitische Fragen behandelt werden, vehementer reagiert als jemand, der diesen Hintergrund nicht hat. Aber wir sollten uns davor hüten, alles, was PolitikerInnen mit Migrationshintergrund tun, nur vor diesem Hintergrund zu bewerten.

Parteien brauchen also keine Angst vor Mitgliedern nichtdeutscher Herkunft zu haben?

Im Gegenteil! Es ist eine Bereicherung der politischen Kultur, wenn sich mehr Menschen mit Migrationshintergrund politisch engagieren. Parteien sollten in zunehmendem Maße Mandate an diese Gruppe vergeben. Denn das sind engagierte Menschen, die eine willkommene Erfrischung in unsere manchmal etwas müde gewordene politische Klasse hineintragen.

Klaus J. Bade (65) ist emeritierter Professor für Migrationsforschung und Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration.

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