WAZ-Modell wird begraben: Die Synergie-Sucher

Statt redaktioneller Konkurrenz mehrerer Zeitungen im gleichen Verlag wird künftig auch beim drittgrößtem deutschen Zeitungskonzern inhaltlich kooperiert. Das WAZ-Modell ist Geschichte.

Verabschieden sich vom "Modell aus einer völlig anderen Zeit": WAZ-Chefs Nienhaus und Hombach Bild: dpa

Selbständige Redaktionen, gemeinsame Verlagsgeschäfte -das war der Plan, als die WAZ-Gruppe in den Siebzigerjahren mehrere Zeitungen an Rhein und Ruhr aufkaufte. Zwar sollte gemeinsam gedruckt und verwaltet werden, aber redaktionell autonom gearbeitet. Und so wurde es dann auch gemacht. Das sogenannte WAZ-Modell war dem Essener Medienriesen seither heilig. Aber damit ist es nun vorbei. Auf der Internetseite des Zeitungshauses steht: "Das WAZ-Modell war der Königsweg zum Erfolg." Merke - es war.

"Dieses Modell ist in einer völlig anderen Zeit und unter völlig anderen Voraussetzungen entstanden", sagt WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach nun im Interview mit dem Branchenmagazin Werben & Verkaufen. Er hätte auch sagen können: Das Modell bringt es nicht mehr, also weg damit. Doch so klare Sätze sagt Hombach eher selten. Lieber spricht der SPD-Kanzleramtsminister a. D. von Synergien, die stärker genutzt werden sollen - was übersetzt heißt: Die WAZ will diverse Redaktionen ihrer fünf NRW-Blätter nach und nach verschmelzen.

Zur Gruppe gehören die Neue Rhein-/Neue Ruhr-Zeitung (NRZ) im westlichen Ruhrgebiet, die ruhrgebietsweit erscheinende WAZ, die für den Osten des Reviers zuständige Westfälische Rundschau (Dortmund) und die Westfalenpost (Hagen) sowie der Iserlohner Kreisanzeiger fürs eher ländliche Drumherum.

Als Erstes sind die lokalen Sportteile der Westfälischen Rundschau (WR) und der Westfalenpost (WP) dran. In Orten, wo beide Titel erscheinen, soll künftig nur noch eine Sportredaktion die Zeitungen beliefern. Und das ist wohl erst der Anfang: Denn was aus so einer Lokalsport-Allianz mal werden kann, wenn sie groß ist, zeigte sich in Dortmund. Auch dort wurde zunächst der Lokalsport verheiratet, in diesem Fall von WAZ und WR. 2007 kam dann der bis auf Einzeltexte gemeinsame Lokalteil. Wo WAZ draufsteht, ist heute also überwiegend WR drin.

Es scheint konzernweit eine große Renovierung zu werden. Offenbar will die WAZ nämlich nicht nur an die Lokalteile ran, der Konzern denkt auch darüber nach, auf Ebene der Mantelressorts Hochzeiten zu feiern. Denkbar ist einiges: vielleicht ein gemeinsamer Sportteil für alle Blätter? Oder eine Vermischtes-Seite, die gleichzeitig in allen NRW-Titeln der Grupe erscheint? Ein gemeinsamer Kulturteil? Oder, nach dem Muster des Berliner Hauptstadtbüros angeblich konkret angedacht: nur noch ein Korrespondentenbüro in der Landeshauptstadt Düsseldorf, das alle Titel bestückt?

Was genau geplant ist, will Hombach nicht sagen. Noch nicht. Weil es sich bisher bloß um "Gedankenspiele" handle, heißt es aus Essen. Mitarbeiter befürchten indes, dass etablierte Marken wie WP oder WR allmählich verschwinden könnten und mit ihnen auch die journalistische Vielfalt. Doch Hombach dementiert: Mit der Preisgabe von Titelidentitäten, sagte er im w&v-Interview, hätten die "Synergie-Anstrengungen" nichts zu tun. Es gehe darum, Qualität zu steigern, ohne dass neue Kosten entstünden. Und das funktioniere eben nur durch engere Zusammenarbeit.

Für den Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper ist das Augenwischerei. Natürlich würden Kooperationen den Blättern ihre Identität nehmen, sagt er. Außerdem, so Röper, gehe es hier nicht um inhaltliche Verbesserung, "sondern darum, ein Sparmodell durchzuziehen".

Auch WP-Betriebsrat Volker Dörken glaubt, dass in Kooperationen die Gefahr liegt, "dass es zu einseitig wird". Sie könnten aber auch Entlastung bedeuten, so Dörken: "Zumindest im unterbesetzten Lokalsport." Die Betriebsräte der Zeitungen warten bisher allerdings noch auf eine schriftliche Stellungnahme der Geschäftsführung.

Die soll nun "bis zum Sommer" vorliegen, möglicherweise kurz bevor die Umbaupläne konkret werden. Denn ebenfalls bis zum Sommer sollen die Chefredakteure der beteiligten Zeitungen überlegen, wie man ihre Blätter umkrempeln kann. "Dass dabei das ein oder andere auf den Prüfstand gestellt wird, finde ich sehr gut", sagt WP-Chef Bodo Zapp. Und gelobt, als spräche der andere Bodo aus ihm: "Eins ist unantastbar: die Unabhängigkeit der einzelnen Titel!" Fragt sich nur, wie unabhängig Zeitungen sind, wenn sie sich Redaktionen teilen - und wie einheitsbreiig dann ihr Inhalt wird.

Für die Entwicklung gibt es im Ruhrgebiet jedenfalls eine Parallele: Das Bier hats vorgemacht. Vor 15 Jahren gab es allein in Dortmund sechs selbständige Brauereien, und jede vertrieb ihre eigenen Biersorten. Sicher, die Marken gibt es auch heute noch, nur kommen sie seit 2005 aus einer einzigen Braustätte, was einigen Stammtrinkern gar nicht mundet. Zumal erzählt wird, dass der Inhalt mittlerweile, nun ja - so furchtbar ähnlich schmeckt.

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