Schwimmende Müllverbrennungsanlagen: Tod aus dem Schornstein

Viele Schiffe auf den Weltmeeren werden noch immer mit dem Abfall aus Ölraffinerien betrieben werden - weshalb jedes Jahr zehntausende Menschen sterben müssen.

Schiffe (hier die Titanic) sind nicht nur im Falle eines Untergangs lebensgefährlich. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Ob Hamburg, Rotterdam oder Genua: Hunderte sterben in den jeweiligen Hafenstädten und Küstenregionen jedes Jahr vorzeitig infolge der Rauchschwaden, die aus Schiffsschornsteinen qualmen. 60.000 Tote weltweit, davon knapp die Hälfte in Europa. Die Zahl der Toten wird in den nächsten fünf Jahren noch um weitere 40 Prozent zunehmen, denn unwillige Reeder und fehlende politische Vorgaben sorgen dafür, dass die Emissionen weiter steigen. Zu diesen Erkenntnissen kommt eine Studie, die in der Zeitschrift Environmental Science & Technology erschienen ist.

In der Untersuchung mit dem Titel "Mortalität durch Schiffsemissionen" haben Wissenschaftler von der Universität Delaware Schifffahrtsrouten, den verbrauchten Treibstoff und die hauptsächlichen Windrichtungen, in die Abgase geweht werden, analysiert. Danach blasen Schiffe zwischen 1,2 und 1,6 Millionen Tonnen Partikel in die Atmosphäre. "Den stärksten tödlichen Effekt findet man in Küstenregionen Europas und Asiens, wo viele Menschen den Schiffsemissionen ausgesetzt sind", schreibt der Meeresforscher James Corbett in dem Rapport.

Die Weltgesundheitsorganisationen WHO geht davon aus, dass jedes Jahr weltweit 350.000 Menschen an den Folgen von Verkehrsemissionen vorzeitig sterben. Für Europa haben die US-Forscher berechnet, dass Schiffsabgase jährlich 27.000 vorzeitige Todesfälle verursachen. Dabei wären gerade diese zum größten Teil vermeidbar: Denn schon seit 15 Jahren wird innerhalb der UN-Seefahrtsorganisation IMO über das Thema Schiffstreibstoffe beraten. Mittlerweile besteht kein Zweifel über ihre umwelt- und gesundheitsschädlichen Auswirkungen, denn noch immer dürfen in Schiffsmotoren Abfälle aus den Ölraffinerien verfeuert werden - mit einem bis zu viertausendfünfhunderfach höherem Schwefelgehalt als bei normalem Diesel. Je schwefelhaltiger und unreiner dieses Schweröl ist, um so höher die Zahl der für Herz- und Lungenerkrankungen verantwortlichen schädlichen Partikel, die bei der Verbrennung freigesetzt werden. Maximal 4,5 Prozent Schwefel darf der Treibstoff in der Regel enthalten. Die Nord- und Ostsee gelten als Sonderzonen, in denen nur noch 1,5 Prozent Schwefelanteil erlaubt sind.

Schon lange fordern Umweltschutzorganisationen eine generelle Senkung des Grenzwertes auf ein Prozent. Die Schifffahrt schmückt sich gern mit dem Etikett "umweltfreundlichstes Verkehrsmittel", und die deutsche ebenso wie skandinavische Reedervereinigungen begrüßen deshalb offiziell auch strengere Grenzwerte. Darauf kann man sich innerhalb der IMO international bislang aber nicht einigen. Denn schwefelärmeres Dieselöl kostet 70 bis 100 Prozent mehr als die jetzt noch verfeuerte umweltschädigende Brühe.

Doch nun gibt es erstmals Druck der Kunden auf die Branche. In Schweden haben sich ein Dutzend international tätige Konzerne zum "Clean Shipping Project" zusammengeschlossen. In einem Kriterienkatalog werden je nach Baujahr der Motoren die Grenzwerte aufgelistet, welche Schiffe erfüllen müssen, um von den Firmen für ihre Transporte berücksichtigt zu werden. Beim Schiffsdiesel wird schon jetzt nur noch 1 Prozent Schwefelgehalt akzeptiert, ab 2010 dürfen es nur noch 0,5 Prozent sein. "Wenns auf dem gesetzlichen Weg nicht funktioniert, müssen eben die Kräfte des Marktes mal nachhelfen", begründet Andreas Wramsmyr, Transportchef beim schwedisch-schweizerischen Elektrotechnik-Konzern ABB die Initiative.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.