WM-Finale USA gegen Japan: Und alle so: USA, USA, USA

Die USA sind Weltmeister. Mit einem unglaublichen 5:2 gegen Japan schaffen sie den bisher höchsten Sieg bei einem WM-Finale.

Becky Sauerbrunn und Meghan Klingenberg

Und jetzt: Party. Becky Sauerbrunn und Meghan Klingenberg, Weltmeisterinnen Foto: dpa

Was bisher geschah: Die WM. Alle sind rausgeflogen, außer Japan und die USA. Die besiegten Deutschland mit 2:0. Die Japanerinnen ließen sich von England ins Halbfinale schießen. Die Wiederholung des Finales von Frankfurt bei der WM 2011 steht an.

Das Spiel: 53.341 Zuschauer im BC Place Stadium in Vancouver brüllen, weil sich Hope Solo zu “Turn down for what“ warm macht. Allein dieses Aufwärmen ist eine Riesenshow. Dann schallt aus den WM-Boxen zum letzten mal AC/DCs „Thunderstruck“ und was dann passiert ist tatsächlich ein Donnerschlag, nein, eine Armada von Donnerschlägen.

Niemand kann glauben, was hier passiert: 3. Minute: Ecke Rapinoe, Gewusel, Carlie Lloyd kriegt den Ball, zieht ab, 1:0. 5. Minute: Freistoß, Gewusel, Carlie Lloyd reißt das Knie hoch, kickt den Ball, 2:0. 7. Minute: Die Japanerinnen kommen erstmals über die Mittellinie. 14. Minute: Flanke, Kopfball vor die Füße von Lauren Hilday: 3:0. 15. Minute: Von hinter der Mittellinie holt sich Carli Lloyd den Ball und schießt. Der Ball fliegt, fliegt, fliegt, fliegt, fliegt, fliegt und fliegt und macht im letzten Moment eine Biegung: 4:0. 18. Minute: Carlie Lloyd steht vorm Tor, köpft aber daneben.

Aufatmen. Es kann nicht jeder Torschuss der US-Amerikanerin reingehen. Aber das ist jetzt schon Rekord: Noch nie hat jemand schneller drei Tore in einem WM-Finale geschafft. Diese magische Viertelstunde erinnert an die magische Viertelstunde des WM-Spiels der deutschen Männer gegen Brasilien. So sieht Dominanz aus: 20 Minuten lang überrollen die US-Ladys die Japanerinnen derart, dass die quasi durchsichtig werden. Über links, über rechts, durch die Mitte – egal, alles geht, alles offen, alles sitzt. Mit flachen Bällen aus der Tiefe. Quasi jeder Torschuss geht rein und die Torhüterin ist daran nicht allein schuld. Die Japanerinnen stehen komplett neben sich. Sie wachen erst ab etwa 20 Minuten auf. In der 27. Minute überrascht Yuki Ogimi Hope Solo mit einem kurzen Schuss: 4:1.

Auch die Abwehr der Japanerinnen ist jetzt wieder in der Lage, so was wie Fußball zu spielen und holt sich ein paar Bälle der US-Ladies zurück. Der Trainer reagiert und wechselt seinen Star Homare Sawa sein. Sie gibt dem Spiel ein bisschen mehr Fahrt, aber gegen den Druck der Amerikanerinnen haben die Japanerinnen keine Idee. Die zweite Halbzeit fangen die USA genauso an wie die erste, schnell, kraftvoll, aufs Tor. Sie sind so heiß, dass es in der 52. Minute zu einem Eigentor durch Julie Johnstin kommt: 4:2. Aber es bleibt nicht mal Zeit für den Gedanken, dass es jetzt doch noch eng werden könnte. Zwei Minuten später schießt Tobin Heath das 5:2.

Die Japanerinnen kriegen jetzt aber ein bisschen Fahrt, kombinieren sich vor Hope Solos Tor. Aber die pariert zweimal großartig. 80. Minute: Unter tosendem Applaus und ohrenbetäubendem Gejohle kommt Abby Wambach zu ihrem 249. Länderspiel. Das gleiche wiederholt sich in der 86. Minute als die zweite Veteranin Rampone eingewechselt wird. Hope Solo boxt noch zwei Mal einen Ball weg. Abpfiff.

Die entscheidende Szene: Das unglaublichste Tor dieser WM – made by Carlie Lloyd. Dieser schier unglaubliche Schuss und der noch schier unglaublichere Flug dieses Balls von der Mittellinie. Dieser Schuss war nicht so wie die von Dzenifer Maroszan aus ähnlicher Distanz abgefeuertern, verzweifelten Distanzschüsse. Die Frau hat genau gesehen, dass die Torhüterin so weit draußen stand, dass sie den Ball perfekt platzieren kann.

Die Spielerin des Spiels: Carli Lloyd, die auch als Spielerin des gesamten Turniers den Goldenen Ball erhält. Sie ist überragend, im Spiel und als Charakter. Nach dem Spiel gegen China hatte sie gesagt: „Ich will nicht nur eine Teilnehmerin einer WM sein, sondern ein Vermächtnis hinterlassen. Ich will, dass sich die Leute an mich erinnern.“ Die frühere Abwehrspielerin, die von der Trainerin Jill Ellis an die Stelle von Abby Wambach in den Sturm geholt wurde und auch ihre Rolle als Kapitänin übernahm, hat in der ersten Halbzeit des Finales 35.000 neue Twitter-Follower. Die ultrasympathische 32-Jährige, die ganz anders als die anderen Stars des Teams ohne Glitter und und eher leise auftritt, hat das Turnier ihres Lebens gespielt. Vor dem Spiel hatte sie ihre Top 10 bekannt gegeben: „Time Machine“ von Ingrid Michaelson, das sollten sich jetzt alle Stürmerinnen anhören.

Die Pfeife des Spiels: Die FIFA. Die wird ausgepfiffen beim Überreichen des Pokals und wer da genau den Pokal überreicht, muss die ganze Welt erst nachgoogeln.

Die besondere Szene: Es gab so viele besondere Szenen, aber das Format hier will nun mal eine Entscheidung: Wie Carlie Lloyd die Kapitänsbinde um den Arm von Abby Wambach legt. Das musste sie nicht tun. Es ist schon irre genug, dass sie die Kapitänsbinde abgeben muss. Aber sie macht das mit Hingabe. Es ist Abby Wambachs letztes WM-Turnier. Und sie hatte vorher gesagt, dass sie dieses Turnier auch gewinnen will, um dieser Legende einen Abschluss die Krone aufzusetzen.

Schlussfolgerung: Der älteste WM-Kader aller Zeiten zeigt hier, wie man heute eine Weltmeisterschaft gewinnt: Die richtige Mischung aus erfahrenen und jungen Spielerinnen, die ihre Rolle genau kennen, die sich nicht einigeln, für die Presskonferenzen eine Show sind, für die das Spiel ein Spiel ist, das Spaß macht. Eine Kapitänin, die nicht bockig auf Privilegien besteht, sondern die in ihrem letzten WM-Turnier große Teile des Turniers auf der Bank sitzt und sich in ihre neue Rolle einfügt, als wäre nichts dabei.

Und sonst: Die Deutschen können jetzt wieder sich entschuldigen damit, dass sie gegen den Weltmeister rausgeflogen sind. Von Justin Timberlake bis Bill Muray twittern alle: USA, USA, USA. Sogar linke Marxisten twittern: „Feels good to cheer for the USA today. Tomorrow that will change again.“ Die Kanadierin Kadeisha Buchanan wird absolut berechtigt zur besten jüngsten Spielerin des Turniers ausgezeichnet. Hope Solo wird beste Torhüterin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.