Kommentar Reaktionen auf Beck: Rette sich, wer kann

Nach Volker Becks Amtniederlegung sind viele Grüne schnell auf Distanz gegangen. Doch diese Vorsicht wirkt wenig souverän.

Volker Beck versteckt sich unter einem roten Regenschirm

Volker Beck auf einer russischen Demo für die Rechte Homosexueller, 2006. Foto: dpa

Parlamentarier müssen weder leuch­tende Vorbilder sein noch einen moralisch besonders anspruchsvollen Lebenswandel vorweisen können. Das ist eine Erwartung, der etwas Vordemokratisches anhaftet. In diesem Weltbild ist der oder die Abgeordnete Repräsen­tantIn einer tadellosen staatlichen Autorität, der Obrigkeit.

Wahrscheinlich sind Abgeordnete so, wie das politische Geschäft organisiert ist, als Moralhelden sogar besonders wenig brauchbar. Wie Schauspieler oder Börsenmakler stehen sie unter enormem Druck. Das fördert in der Regel eher unerfreuliche als angenehme Eigenschaften. Wer auf dieser Bühne dauerhaft mitspielen will, braucht Ellenbogen, Narzissmus, gute Nerven. Und: Politik macht anfällig für Sucht, vor allem nach öffentlicher Aufmerksamkeit.

Andererseits haben Parlamentarier eine besondere Pflicht zur Gesetzestreue. Denn sie selbst machen die Gesetze. Daher sollten sie sich auch bitte daran halten.

Dass sich der Grüne Volker Beck in seiner dürren Erklärung rühmt, stets eine liberale Drogenpolitik vertreten zu haben, ist keine kluge Taktik – jedenfalls, wenn es wirklich um Crystal Meth geht. Er setzt eher auf rabiate Vorwärtsverteidigung als auf Gesten der Zerknirschung. Aber für Urteile ist es zu früh.

Wir wissen nicht, ob Beck gelegentlich harte Drogen nimmt oder ob er abhängig ist. Wir wissen nicht, ob er regelmäßig ein kriminelles Milieu finanziert hat oder nur mal etwas ausprobieren wollte. Bei Drogenmissbrauch kommt es aber genau darauf an.

Manche Grüne sind ziemlich schnell auf Distanz zu Beck gegangen. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident im Wahlkampf, sieht ein „schweres Fehlverhalten“ – das, wie er betont, keineswegs typisch für die Grünen sei. Offenbar hat Kretschmann das Desaster des letzten Bundestagswahlkampfs vor ­Augen, als die Partei lange keine brauchbare Haltung zu den Pädophilie-Vorwürfen fand. Also lieber sofort auf Distanz gehen – und ja die Assoziationskette Pädosex–Drogen–Grüne–Berlin vermeiden, die in Schwarzwalddörfern womöglich für Verstörung sorgen könnte.

Diese Vorsicht wirkt wenig souverän. Sie unterschätzt die Fähigkeit der Gesellschaft zu Differenzierung und Selbstaufklärung. Und sie hat angesichts der vagen Faktenlage etwas Übereiltes.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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