Senat kämpft gegen Initiative: Zitterpartie um Ganztagsschule

Die Verhandlung zwischen Rot-Grün und der Volksinitiative „Guter Ganztag“ steht kurz vor dem Ende. Senat droht mit Klage, um die Initiative auszubremsen

In einer „guten“ Ganztagsschule soll es davon mehr geben: frisches Essen Foto: Roland Weihrauch/dpa

Im Rathaus läuft derzeit ein Verhandlungskrimi: Sollte es zwischen der Schul-Volksinitiative „Guter Ganztag“ und den Fraktionsspitzen von SPD- und Grünen bis Montag keine Einigung geben, droht der Senat, am Dienstag das Verfassungsgericht anzurufen und die Forderungen prüfen zu lassen. Damit wäre die Volksinitiative, die mehr Erzieher, frisches Essen und Tobe- und Ruheflächen für die Kinder möchte, für Monate bis Jahre ausgebremst.

Beide Seiten zeigten sich am Sonntag zuversichtlich. „Es ist noch Bewegung reingekommen“, sagte Gert Kotoll für die Elterngruppe. Diese strebt einen Volksentscheid an und hatte dafür in der ersten Stufe im Oktober rund 15.000 Unterschriften beim Wahlamt eingereicht. Seit Februar verhandeln deren Vertrauensleute Christine Dwenger, Gert Kotoll und Manja Scheibner mit Andreas Dressel und Anjes Tjarks, den Fraktionschefs von SPD und Grünen. Über Monate ging es harmonisch zu. Doch am Mittwoch legten Dressel und Tjarks ihre Zahlen auf den Tisch. „Da wurde es schwierig“, sagt Kotoll.

Wie man aus Rathauskreisen hört, liegen beide Seiten um etliche Millionen auseinander. SPD und Grüne seien bereit, knapp über zehn Millionen Euro auszugeben, vor allem für einen besseren Erzieher-Kind-Schlüssel. Doch Geld für Räume solle es nur geben, wenn die Schulen Geld aus anderen Budgets abgeben.

„Das finde ich bösartig“, sagt Sabine Boeddingshaus (Die Linke). Würde die Eltern-Ini dem zustimmen, wäre ihr der Zorn der Schulen sicher. Für CDU-Politikerin Karin Prien ist es ein Unding, den Eltern nach monatelangen Verhandlungen „kein substantielles Angebot vorzulegen.“

Die Forderungen der Eltern-Ini liegen bei etwa 50 Millionen Euro für Räume, Küchen und Personal. Das ist nicht wenig, aber weit entfernt von den 1,5 Milliarden-Euro-Kosten, die SPD-Schulsenator Ties Rabe im Schulausschuss als Abschreckungszahl nannte. Er unterstellte, die Eltern wollten die leeren Klassenräume am Nachmittag nicht nutzen und dafür komplett neu bauen.

Doch es geht dem „Guten Ganztag“ um Anbauten oder Umbauten in Räumen, um für die Kinder, die nunmehr den ganzen Tag in der Schule sind, Rückzugsräume zu schaffen. An der Ganztagsbetreuung nehmen 80 Prozent der Grundschüler teil. Sie wurde in kurzer Zeit mit wenig Mitteln eingeführt. „Es ist ein Provisorium, das vielerorts gut funktioniert“, sagt Kotoll. Doch es gehe darum, dafür zu sorgen, „dass sich für die Kinder und Erzieher etwas verbessert“.

Wo die Probleme liegen, zeigt eine Anfrage der Links-Fraktion. So wurden an zwölf Schulen die Verträge mit den Trägern für die Nachmittasbetreuung gekündigt. Die Kinder verlieren so ihre Bezugspersonen. Als Grund wird auch die „Personalsituation des Trägers“ genannt. Die Job-Bedingungen sind schlecht, die meisten Erzieher haben nur 20 Stunden-Verträge, davon lässt sich nicht leben. Folge ist eine hohe Fluktuation.

Die Initiative will mehr volle Stellen für Erzieher. Und es soll praktische „Vitalküchen“ geben, in denen fertig geschnitten und geschälte Zutaten frisch zubereitet werden. Das sei besser als zuvor gefrorenes aufgewärmtes Essen. Zudem sollen in einem neues Gremium auch Erzieher, Eltern und Schüler über die Belange des Alltags mitentscheiden.

In diesem Punkt soll Rot-Grün Bedenken haben, weil die Rechte der bisherigen Schulkonferenz tangiert werden könnten. Doch Kotoll sagt: „Daran wird es nicht scheitern.“ Auch die übrigen Punkte seien verfassungsgemäß. Das sagt auch Manfred Brandt von „Mehr Demokratie“. Die Gefahr etwa, dass die Finanzhoheit des Parlaments einschränkt wird, sei bei diesen Summen noch „kein Thema“.

Doch wenn der Senat am Dienstag die Klage-Karte zieht, muss das Volksbegehren bis zur Entscheidung ruhen. Im Klartext: Die Eltern könnten nicht wie geplant im Herbst 2016 für die zweite Stufe Unterschriften sammeln und dann zur Bundestagswahl 2017 die Volksentscheids-Frage stellen.

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