Beschäftigte bei Windanlagenbauern: Windkraft mit Tarif

Ökologisch waren Windanlagenbauer schon immer. Nun werden sie auch sozial. Enercon, einer der vier größten, sträubt sich aber noch.

Ein halbes Rotorblatt einer Windkraftanlage liegt im Querschnitt in einer Halle

Rotorblatt-Smiley: Angestellte bei einigen Windanlagenbauern dürfen bald auf Tarifverträge hoffen Foto: dpa

BERLIN taz | Die Toiletten sind ein heikles Thema. Wo sollen Windkraftmonteure ihre Notdurft verrichten? „Beim Unternehmen Vestas gibt es jetzt einen neuen Standard. Die Servicestützpunkte müssen künftig mit WC und Heizung ausgestattet werden“, sagt Florian Mahler. Als „Organizer“ der IG Metall sorgt er dafür, dass die Gewerkschaft einen Fuß in die Tür der Windbranche bekommt.

Als hilfreiche Methode hat sich dabei herausgestellt: „Zuhören, welche Anliegen die Beschäftigten selbst formulieren“, sagt Mahler – etwa die Toilettensituation. Ihre Kampagne in der Windkraftindustrie betreibt die IG Metall seit 2010 mit großem Aufwand. Es geht um die Rechte der Beschäftigten in einer neuen Branche. Und es geht um die Verhandlungsmacht der Gewerkschaft, die in traditionellen Industrien Mitglieder verliert. Dagegen ist die Zahl der Mitarbeiter in der deutschen Windkraftbranche inzwischen auf etwa 150.000 gestiegen.

Vor zehn Jahren sah es bei den Windfirmen meist so aus: Wenn es überhaupt Betriebsräte gab, kuschelten diese mit den Firmenleitungen. Tarifverträge? Fehlanzeige. Beschäftigte, die aufmuckten, wurden gerne mal entlassen. Die altertümlichen Verhältnisse innerhalb vieler Betriebe standen im Gegensatz zu dem guten Ruf, den die Ökoindustrie in der Öffentlichkeit genoss.

Mittlerweile ändert sich die Lage. Bei Senvion, einem der vier großen Anlagenbauer in Deutschland, wurde ein Tarifvertrag abgeschlossen, der Verdienste und Arbeitszeiten regelt. „Der größte Erfolg bisher“, sagt Mahler. Bei Vestas in Husum hat die Gewerkschaft inzwischen die Mehrheit im Betriebsrat. Das Unternehmen scheint auf dem Weg zum Tarifvertrag. Fortschritte gibt es auch bei Nordex.

Tarifverträge haben vielfache Vorteile

Eine Sonderstellung unter den großen vier nimmt dagegen Enercon ein. „Einen normalen Umgang mit Betriebsräten unserer Gewerkschaft will die Firmenleitung nicht akzeptieren“, sagt Meinhard Geiken, IG-Metall-Chef des Bezirks Küste. Vor zwei Jahren versuchten die Enercon-Manager erfolglos, einem Betriebsratsvorsitzenden der IG Metall zu kündigen. Das Unternehmen in Aurich pflegt eine patriarchale Firmenkultur. Fortschritte in Richtung zeitgemäßer Arbeitsverhältnisse schaffen die Beschäftigten nur im Schneckentempo.

Dass es zu Veränderungen kam, hat laut Susanne Uhl vom DGB in Schleswig-Holstein vor allem einen Grund: „Die Fortschritte bei der Mitbestimmung in den großen Windkraftfirmen erzielte die IG Metall durch ihre Organisationskampagne.“ Bei Vestas beispielsweise hatte die Gewerkschaft anfangs nur ein Dutzend Mitglieder. Heute lassen sich einige Hundert von insgesamt 1.500 Arbeitnehmern durch die IG Metall vertreten.

Stephan Kallhoff vom Arbeitgeberverband Nordwindaktiv schätzt die Wirkung der Kampagne ähnlich ein. „Die Entwicklung kommt zustande, weil die IG Metall Druck gemacht hat.“ Allerdings fügt er hinzu: „Auch die Unternehmen sehen Vorteile in partnerschaftlichen Verhältnissen.“ Die Manager wollen Ruhe haben und sich nicht ständig vor dem Arbeitsgericht streiten müssen, was negative Schlagzeilen produziert.

Transparent geregelte Verdienste, Arbeits- und Urlaubszeiten bringen aber noch zusätzliche Vorteile. „Der Tarifvertrag kann für Unternehmen ein gutes Argument darstellen, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen“, so Kallhoff. Das spielt in einer Zeit, in der technische Fachkräfte zunehmend knapp werden, eine große Rolle. IG-Metall-Organizer Mahler berichtet, dass es Senvion öfter gelinge, Techniker aus anderen Windkraftfirmen abzuwerben. Den Ausschlag gebe die im Tarifvertrag geregelte höhere Bezahlung.

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