Neues von The Notwist und Markus Acher: Weilheim wiederholt wunderbar

The Notwist veröffentlicht ein Live-Album mit vielen Raffinessen. Markus Acher reüssiert unter seinem Alias Rayon ebenso auf der Langstrecke.

Bandporträt The Notwist

The Notwist mit Markus Acher, dritter von links Foto: Patrick Morarescu

Als die Indie-Institution The Notwist kürzlich ein Livealbum ankündigte, war man neugierig und skeptisch zugleich. Neugierig, weil die Live-Qualitäten der Band, die die oberbayerische Kleinstadt Weilheim auf die Weltkarte des elektronischen Pop gehievt hat, stets gewachsen sind. Skeptisch, weil Popstars häufig Live-Alben veröffentlichen, um ein kreatives Loch zu füllen. Selbst bei The Notwist – Popstars für all jene, die Popstars hassen – war man sich unsicher: Braucht man ein solches Live-Album, zumal ganz ohne neue Songs?

Die Aufnahmen für „Superheroes, Ghostvillains + Stuff“, so sein Titel, sind in einer Phase des Umbruchs entstanden: Nach „Close To The Glass“ (2014) verließ Electronica-Mastermind Console alias Martin Gretschmann die Band – nun ist Cico Beck (Joasihno, Aloa Input) der Mann fürs Feine hinterm Rechner. Die 16 Stücke wurden Ende 2015 während dreier aufeinanderfolgender Auftritte im Leipziger UT Connewitz mitgeschnitten.

Bemerkenswert ist, wie Cico Beck Console, der den Notwist-Sound 20 Jahre lang mitgeprägt hat, gleichwertig ersetzt: Der Neue setzt hörbar mehr auf haptische perkussive Instrumente, der Sound wirkt dadurch leichter und fluffiger – was nicht heißt, dass der elektronische Gretschmann-Wahnsinn nun abgeschafft wäre. Nein, nur etwas mehr Verspieltheit statt Verspultheit.

Extended Versions für alle

Die 100 Minuten zeigen, zu was The Notwist inzwischen live imstande sind: Spektakel, ausgelöst durch Patterns, Variationen ihrer Songs. Exemplarisch sei eine 13-Minuten-Version von „Pilot“ (2002) genannt, die von Indietronica zu Dub zu House und zurück wandert. An diesem Punkt ist man bereits bei den Zugaben angelangt, und die Frage, ob man dieses Livealbum braucht, ist im Rausch der Sinne längst vergessen. „Superheroes, Ghostvillains + Stuff“ bietet stellenweise die Extended-Version von The Notwist, die man sich immer gewünscht hat.

Wenn man The Notwist als Dachorganisation begreift, so wäre Rayon ein verlässlicher, immer mal wieder auftauchender Sidekick. So nennt Notwist-Mastermin Markus Acher sein eigenes Werk – wobei, „Soloprojekt“ trifft es nicht ganz, Acher komponiert zwar alle Stücke, kollaboriert aber mit Gästen. Zuletzt hat er unter diesem Alias Filmmusiken geschrieben, 2015 für den italienischen Film „N-capace“. Knisternde, meist repetitive elektronische Sounds kamen dabei raus.

Die Alben: The Notwist, "Superheroes, Ghostvillains &Stuff" (Alien Transistor/Indigo); Rayon "A Beat of Silence" (Morr Music/Indigo)

Die Konzerte: the Notwist, 5.11. Weißenhäuser Strand "Rolling Stone Alnighter", 6.11. Berlin "Lido", 12.12. Düsseldorf "Zakk"; Rayon 20.11. Berlin "Radialsystem"

Nun hat der 49-Jährige ein neues Album veröffentlicht, das von traditioneller Musik aus Indonesien geprägt ist, genauer: Gamelan. „A Beat Of Silence“ klingt auch ein wenig wie Filmmusik, ist im Vergleich zu den Vorgängeralben aber wesentlich „manueller“.

Gamelan, Gongs und Glocken

Kein Wunder: „Gamelan“ steht javanisch für „etwas mit den Händen tun, Klang, Orchester, Klang“, der Stil zeichnet sich durch den Einsatz von Metallofonen, Xylofonen, Gongs und Glocken aus. In der Minimal Music und in der Neuen Musik haben sich immer wieder Musiker und Ensembles von diesem Sound inspirieren lassen.

Acher setzt nun Marimbafone, Vibrafone und Glockenspiel ein und kombiniert sie mit Klavier- und Harmoniumtönen; zumeist klingt die Musik gleitend, fließend – stark rhythmisch und beatlasig wird es nur in einem der neun Stücke. Eher spielt der Einfluss von Drone eine Rolle – wenn man aber dieses Genre oft mit dezibelreichen Klängen verbindet, so wäre Rayon wohl Soft Drone.

Dominiert wird das Album vom Zusammenwirken von Xylofonen und Glockenspiel auf der einen und dem Klavier und dem Harmonium auf der anderen Seite, manchmal unterlegt von einem meditativen Rauschen. Rayon verlangt aufmerksames Zuhören vom Rezipienten; belohnt wird dieser mit Klanglandschaften, die im hiesigen Kulturraum selten zu hören sind.

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