Geteilte Insel: Zypern-Lösung so nah wie nie

Ab Montag verhandeln griechische und türkische Zyprioten über ein Ende der Teilung. Ein Problem: die Präsenz türkischer Truppen im Norden.

Von der griechischen Seite sieht man die türkische Flagge auf einem Berg auf der türkischen Seite von Nicosia

Eine Stadt, zwei Zeitzonen: das zyprische Nicosia ist in vieler Hinsicht geteilt Foto: dpa

BERLIN taz | Nie waren griechische und türkische Zyprioten weiter voneinander entfernt – zumindest wenn es um die Zeit geht. Seit acht Tagen gehen die Uhren im türkischen Norden der Insel um eine Stunde voraus, weil das Land im Einvernehmen mit der Türkei die Umstellung auf die europäischen Winterzeit hat ausfallen lassen. Tausende Pendler müssen täglich an der Uhr drehen und Nikosia hat nun das zweifelhafte Privileg, nicht nur die letzte geteilte Hauptstadt der Welt zu sein, sondern auch noch in zwei Zeitzonen zu liegen.

Nie waren griechische und türkische Zyprioten andererseits so nahe an einer politischen Einigung über einen gemeinsamen Staat. „Wir sind weiter gekommen als je zuvor“, sagte der UN-Vertreter auf Zypern, der Norweger Espen Barth. Am Montag beginnen im schweizerischen Ferienort Mont Pelerin fünftägige Gespräche zwischen dem Vertreter der griechisch geprägten Republik Zypern Nikos Anastasiades und Mustafa Akinci, aus der nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern. Ihr Ziel: Die Gründung eines Bundesstaats unter dem gemeinsamen Dach der Europäischen Union und damit das Ende der 42 Jahre währenden Teilung der Insel.

Seit 2013 verhandeln der konservative Anastasiades und der linksliberale Akinci. Sie sind sich dabei in vielen Punkten so nahe gekommen, dass es nun ans Eingemachte gehen kann. In der Schweiz werden die kontroversen Themen der Gebietsansprüche und die Sicherheitsaspekte verhandelt werden.

Kommt man hier zu einer Annährung, stünde als nächstes eine mutilaterale Konferenz zwischen den Zyprioten, der Türkei, Griechenland und dem früheren Kolonialherrn Großbritannien an. Erzielt man auch dort einen Konsens, sollen Insel-Griechen und -Türken in getrennten Referenden über die Gründung des gemeinsamen Bundesstaats abstimmen.

Gestritten wird noch um Rückkehrer und Sicherheit

Noch allerdings stehen dem große Meiungsunterschiede entgegen, die die zeitweise Euphorie in Nikosia haben abebben lassen. Am Freitag Abend hielten Anastasiades und Akinci getrennte Fernsehansprachen für ihre jeweilige Volksgruppe, die dies deutlich werden ließen. Während Anastasiades besonderen Wert auf die Rückkehr von 100.000 griechischen Vertriebenen aus dem Krieg von 1974 versprach, betonte Akinci die Sicherheitsaspekte für die türkische Minderheit.

Dabei ist unstrittig, dass die türkische Seite einen Teil ihres 1974 von türkischen Truppen eroberten Gebiets an die Zyperngriechen abgeben muss. Anastasiades legte dabei besonderen Wert auf die Region rund um die dicht besiedelte Kleinstadt Morphou. Nach einem Bericht der Londoner Financial Times möchte die zyperntürkische Seite aber genau dies vermeiden, weil in diesem Fall besonders viele ihrer Landsleute umgesiedelt werden müssten. Dort stellt man sich stattdessen die Abgabe der dünn besiedelten Karpas-Region ganz im Osten der Insel vor.

Eine Einigung bei der Territorialfrage erscheint Beobachtern aber als möglich. Viel schwieriger dürften die Sicherheitsaspekte zu lösen sein, zumal die Türkei dort ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Im Norden sind mehrere Zehntausend türkische Soldaten stationiert. In der formal noch gültigen Verfassung der Republik Zypern von 1960 ist ein Interventionsrecht der Türkei, Griechenlands und Großbritannien für den Fall verankert, wenn die Verfassung auf der Insel gebrochen wird.

Mit diesem Argument begründete die Türkei 1974 ihre Invasion des Nordens. Angesichts der traumatischen Erfahrungen aus diesem Krieg verlangt die zyperngriechische Seite einen Abzug der türkischen Truppen und lehnt Garantierechte der Türkei ab. Die Mitgliedschaft in EU und UN wird als ausreichend betrachtet, heißt es dort.

Alte Ängste spielen noch immer eine Rolle

„Keine Garantien, keine Truppen“, das werde man als Diskussionsgrundlage nicht akzeptieren, sagte dazu Akinci. Unter den Zyperntürken schwelen eingedenk politischer Morde an hunderten Menschen in den 1960er Jahren immer noch Ängste gegenüber den Griechen. Akinci ließ am Freitag aber durchbliecken, dass man auf Garantierechte der Türkei verzichten könne.

Diplomatischen Kreisen zufolge besteht Ankara dafür auf einer fortgesetzten Präsenz türkischer Truppen auf Zypern. Das dürfte auch militärstrategische Gründe haben. Akinci, dessen Regierung wirtschaftlich stark von der Türkei abhängig ist, habe sich diese Position zueigen gemacht, heißt es nach diesen Informationen.

Eine dauerhafte Stationierung von Militärs des „Erzfeindes“ Türkei gilt unter den griechischen Zyprioten mit seinen starken nationalistisch geprägten Oppositionsparteien als nicht durchsetzbar; sie widerspräche wohl auch der Vorstellung von einem unabhängigen Staat.

UN-Vertreter haben in den letzten Monaten positiv angemerkt, dass der Putsch-Versuch und seine Folgen in der Türkei keine negativen Auswirkungen auf die Zypern-Verhandlungen hatten. Anasasiades und Akinci wird der uneingeschränkte Wille zugesprochen, dass sie die Teilung Zyperns ernsthaft überwinden wollen. Sollte Ankara aber auf seiner Militärpräsenz in Nord-Zypern bestehen, sind die Aussichten für eine Friedenslösung schlechter als es derzeit den Anschein hat.

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