Anton Schlecker vor Gericht: „Recht behalten, mein ganzes Leben“

Anton Schlecker gibt Einblick in sein Seelenleben: das eines unbezwingbaren Einzelkämpfers. Im Rückblick „vielleicht borniert“, fällt ihm ein.

Anton Schlecker steht vor einer Wand

Anton Schlecker. Der Vorwurf: vorsätzlicher Bankrott Foto: dpa

STUTTGART taz | Es ist kurz nach 9 Uhr im Landgericht Stuttgart, als die Stimme von Anton Schlecker, die über Jahrzehnte nicht in der Öffentlichkeit zu hören gewesen ist, erklingt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft hätten ihn schwer getroffen, sagt er ruhig und sachlich. Wer erwartet hatte, Anton Schlecker würde über Gebühr Einblick in sein Seelenleben gewähren, wird enttäuscht. Doch zu seiner Verteidigung ist es wichtig, dass der 72-jährige Unternehmer, der für eine der größten Unternehmensinsolvenzen der letzten zehn Jahre verantwortlich ist, dem Gericht seine Sicht erklärt.

Die Strafkammer unter Leitung von Roderich Martis soll erkennen, dass sie es mit einen typischen schwäbischen Unternehmer zu tun hat, keinem betrügerischen Bankrotteur. Also zeichnet Anton Schlecker von sich das Bild eines Einzelkämpfers, der ein Leben lang hart gegen sich und andere war. So jemand, steckt kein Geld in die eigene Tasche. Wenn man ihm etwas vorwerfen kann, dann höchstens, dass er vielleicht am Ende den Überblick über die Lage verloren hat. Über eine Stunde liest Schlecker seine vorbereitete Erklärung vor.

Statt Geld auf die Seite zu bringen, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, habe er bis zum Schluss persönlich Millionenbeträge in das Unternehmen investiert. Das mache keiner, der aus „sittlich anstößigem Eigeninteresse“ handele. Er könne sich an keine unüberwindbaren Liquiditätsprobleme erinnern, erklärt Schlecker zu der Lage des Unternehmens 2012, kurz vor der Insolvenz. Bis zum Anruf seiner Tochter.

Er sei mit seiner Frau gerade auf Inspektionstour gewesen, jene Visiten in den Schleckerfilialen, für die das Unternehmerpaar berüchtigt war. Da habe seine Tochter angerufen und gesagt: „Papa, die lassen uns fallen.“ „Die“, das waren die Versicherung Euler Hermes und der Großhandelsdienstleister Markant, die laut Schlecker nun plötzlich nicht mehr bereit gewesen seien, ihm Kredit zu gewähren. Ohne sie, das war ihm klar, waren die Filialen ab sofort von Warenlieferungen abgeschnitten.

Es dreht sich um die Schlecker-Familie

Schlecker bleibt auch an diesem Prozesstag die von vielen der einstmals 25.000 Angestellten erwartete Entschuldigung schuldig. Die sogenannten Schlecker-Frauen kommen in seiner Darstellung nur einmal kurz am Rande vor. Schlecker nennt die Insolvenz einen „harten Weg für Familie und Mitarbeiter“. Die Schleckerwelt des 72-Jährigen dreht sich vor allem um seine Familie und ihn. Daneben gibt es enge Mitarbeiter, die oft seit Jahrzehnten dabei sind und auch Prokura für private Konten der Schleckers haben.

Schlecker bleibt auch heute die erwartete Entschuldigung schuldig

Denn Anton Schlecker führte sein Unternehmen als persönlich haftender Kaufmann. Dass er mit seinem ganzen privaten Vermögen für den Erfolg des Unternehmens einsteht, war für ihn offenbar besser erträglich, als dass Bedenkenträger seinen Erfolgsweg behindern. „Durchsetzen, Widerstände überwinden, Recht behalten, das begleitete mich mein ganzes Leben“, sagt Schlecker. Er habe nie „Haftungsängste“ gehabt, erklärt er, als wäre das ein Naturgesetz: „Ich war davon überzeugt, unternehmerisches Handeln zahlt sich aus.“ Heute, wo er widerlegt sei, könne man das „borniert finden“, gibt Schlecker zu. Ein seltener Moment der Selbstkritik.

Das trügerische Gefühl der Unbesiegbarkeit hielt bei Anton Schlecker auch nach der Jahrtausendwende an. Obwohl in der Branche schon eine Weile über seinen schleichenden Abstieg gemunkelt wurde und die Filialen von immer mehr Kunden gemieden wurden. Anton Schlecker sieht erst 2010 die Notwendigkeit zur Restrukturierung. Erst da werden Unternehmensberater engagiert, sie haben ihm gesagt, der Turnaround sei zu schaffen, sagt Schlecker treuherzig. Dass sich ausgerechnet einer wie er in dieser Situation auf die Einschätzung von Unternehmensberatern verlassen haben soll, passt allerdings nicht ins Bild.

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