Einsätze vor der libyschen Küste: Helfer vor Italiens Behörden

Ein Staatsanwalt wirft Seenotrettern vor, Helfershelfer von Schleppern zu sein. Die Gruppen müssen sich einer Anhörung im Parlament stellen.

Schiff mit Menschen auf dem Wasser

Schiffe privater Hilfsorganisationen retten Menschen aus Seenot Foto: reuters

ROM taz | Am Mittwochabend waren die Vertreter zweier deutscher NGOs vor den Verteidigungsausschuss des italienischen Senats geladen, um auf die in Italiens Politik und Medien immer lauter werdenden Vorwürfe gegen ihre humanitären Einsätze vor der libyschen Küste zu antworten. Sea Eye und Sea Watch haben mit ihren Schiffen im letzten Jahr Tausende Menschen vor Libyen aus Seenot gerettet.

Doch vor dem italienischen Senat mussten sich Sea-Eye-Kapitän Markus Neumann und Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer von Politikern der rechten Opposition vorwerfen lassen, sie betrieben da ein schmutziges Geschäft, sie sorgten mit ihren Einsätzen erst eigentlich dafür, dass die Migranten sich auf den Weg machen, dass die Schlepper dabei Unsummen verdienen.

Dennoch, meint Neugebauer im Gespräch mit der taz, sei das Hearing „relativ entspannt“ verlaufen: „Wir sind transparent, wir haben nichts zu verbergen, und wir legen in keinster Weise kriminelle Machenschaften an den Tag.“ Auch Neumann zeigte sich nach seinem Auftritt vor den Senatoren sicher, „wir konnten klarstellen, dass alle Vorwürfe gegen uns haltlos sind“.

Niemand geringerer als der Chef der Staatsanwaltschaft Catania, Carmelo Zuccaro, ist es, der mit heftigen Anschuldigungen gegen die NGOs seit Wochen die Debatte um deren Einsatz befeuert. Zuccaro gibt sich überzeugt, dass „es über NGOs wie Ärzte ohne Grenzen nichts Negatives zu sagen gibt“. Ganz anders aber lägen die Dinge bei „der maltesischen MOAS oder den deutschen NGOs“. 14 Schiffe von privaten Rettungsvereinen zählte die EU-Grenzschutzagentur Frontex zuletzt vor der libyschen Küste. Zuccaro höhnt, deren massive Präsenz zu Ostern, als 8.000 Menschen gerettet wurden, habe ihn an „die Landung in der Normandie erinnert“.

In seinen Augen agieren die „verdächtigen NGOs“ als Komplizen: „Wir haben Belege, dass zwischen einigen NGOs und den Schleusern direkte Kontakte bestanden haben.“ Außerdem seien die Rettungsschiffe immer wieder auch innerhalb der libyschen Zwölf-Meilen-Zone aktiv gewesen, zudem sei ihre Finanzierung völlig intransparent. Leider seien seine „Belege“ jedoch „keine gerichtsverwertbaren Beweise“. Zuccaro wittert politische Machenschaften hinter der Flüchtlingsrettung: „Von Seiten der NGOs wird das Ziel verfolgt, die italienische Ökonomie zu destabilisieren, um daraus Vorteile zu ziehen“.

Staatsanwalt Zuccaro

„Die NGOs verfolgen das Ziel, die italienische Ökonomie zu destabilisieren“

Seine Äußerungen wurden zur Steilvorlage für Italiens Rechte und für Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung (M5S). Zwar weiß keiner genau, woher Zuccaro seine Erkenntnisse hat. Die italienische Küstenwache, die Marine oder die Geheimdienste dementierten, dass ihnen ähnliche Einsichten vorlägen. Und auch die Berichte von Frontex sprechen zwar von „ungewollten Konsequenzen“ der Rettungseinsätze, nie aber von einer Komplizenschaft zwischen Schleppern und NGOs.

Doch Luigi Di Maio, Frontmann des M5S, erklärte die NGO-Schiffe zu „Taxis des Mittelmeers“, wobei die Retter „mit den Schleusern unter einer Decke“ steckten. Auch in der Senatsanhörung wurde deshalb die Forderung laut, in Zukunft sollten italienische Polizisten an Bord der Rettungsschiffe präsent sein. Da lacht Markus Neumann. „Meinetwegen gern, das halten die höchstens drei Tage aus, aber dann haben sie wenigstens mal gesehen, unter welchen Bedingungen wir arbeiten.“

Ruben Neugebauer dagegen hält nichts von der Polizeipräsenz an Bord. „Wir sind unabhängig, die EU dagegen ist in der Flüchtlingskrise Konfliktpartei. Sie stiftet zum Beispiel die libysche Küstenwache zu Rechtsbrüchen an.“ So habe sich erst am Mittwochmorgen, wenige Stunden vor der Senatsanhörung, ein dramatischer Vorfall ereignet. Während die Sea Watch versuchte, in internationalen Gewässern fast 500 Menschen von einem Holzkahn an Bord zu nehmen, sei ein Boot der libyschen Küstenwache direkt vor den Bug des Rettungsschiffs gefahren, um ihm den Weg abzuschneiden und das Flüchtlingsboot zur Umkehr nach Libyen zu zwingen. „Dabei wurden unsere Besatzung und die Flüchtlinge in akute Lebensgefahr gebracht“, so Neugebauer.

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