Pegida-Film beim Dok Leipzig: Die netten Dresdener Demonstranten

Das Dokumentarfilmfestival in Leipzig zeigt einen Film über Pegida – und löst damit eine Kontroverse aus. Die Festivalleitung hat sich vorab distanziert.

Pegida-Demonstrant*innen mit Flaggen und Schildern

Fühlen sie sich jetzt gehört? Pegida-Anhänger*innen kommen in „Montags in Dresden“ unkommentiert zu Wort Foto: dpa

LEIPZIG taz | Die Osthalle des Leipziger Hauptbahnhofs war bis in den letzten Winkel gefüllt am Donnerstagabend. Zwischen den Zuschauer*innen: viel Security und vereinzelt Polizisten. Das Dokumentarfilmfestival Dok Leipzig zeigte einen Film von Regisseurin Sabine Michel – und hatte damit schon im Vorfeld für eine Kontroverse gesorgt. Festivalleiterin Leena Pasanen sah sich wenige Stunden vor der Vorstellung sogar genötigt, zu betonen, dass sich das Festival „von jeglichen Aktionen von Pegida“ distanziere.

Sabine Michel hatte für ihren Dokumentarfilm „Montags in Dresden“ drei Pegida-Anhänger*innen über ein Jahr lang begleitet. Darunter auch René Jahn, ehemaliges Mitglied im Pegida-Organisationsteam. Jahn hatte bei Facebook dazu aufgerufen, nach Leipzig zu kommen und den seiner Aussage nach für den Publikumspreis nominierten Film zu unterstützen.

Befürchtungen waren aufgekommen, dass Pegida-Anhänger*innen die kostenlose Vorstellung des Films, der in Leipzig Premiere feierte, kapern wollten. Die Festivalleitung hatte daraufhin erhöhte Sicherheitsvorkehrungen angekündigt. Letztlich waren die Pegida-Anhänger*innen allerdings klar in der Minderheit.

Doch nicht nur die Ankündigung der Pegida-Anhänger*innen hatte für Wirbel gesorgt, auch der Film selbst steht in der Kritik. Der Vorwurf: zu affirmativ und nicht einordnend. Tatsächlich setzt die Regisseurin in ihrem Film rein auf deskriptive Erzählelemente. Einordnungen finden kaum statt.

Neben René Jahn werden noch zwei weitere Pegida-Anhänger*innen porträtiert: Zum einen Sabine Ban, alleinerziehende Mutter, die in ihrem Keller Lebensmittel für den nach ihrer Meinung drohenden Bürgerkrieg bunkert. Und dann ist da noch Daniel Heimann, der als Unternehmer vorgestellt wird und mit Pro Patria Pirna „verstärkt konservative und christliche Werte in den öffentlichen Raum tragen will“, wie es heißt. Kurz darauf ist er allerdings mit Götz Kubitschek zu sehen, Vordenker der Neuen Rechten und bestens vernetzt mit Aktivisten von Pegida und Identitärer Bewegung.

Liebesgeschichte unter Deutschlandfahnen

Im Film können alle drei Protagonisten, René Jahn, Sabine Ban und Daniel Heimann ausführlich ihre Sicht auf die Welt schildern. Kritische Nachfragen oder Einordnungen? Finden kaum statt. Das wird besonders deutlich, als Heimann von Heimat als „mystischen, schönen Begriff“ schwadroniert und dazu Bilder von ihm und seinen zwei Hunden vor romantischer Winterkulisse zu sehen sind.

Besonders absurd wird es, als René Jahns Lebenspartnerin – nach eigener Aussage eine lange Freundin von Lutz Bachmann – erzählt, wie sich das Pärchen 2014 bei Pegida kennengelernt hat. Eine romantische Liebesgeschichte unter Deutschlandfahnen.

„Montags in Dresden“ ist laut Dok-Leipzig-Programm auch für den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts und den Filmpreis Leipziger Ring nominiert. Die Stiftung Friedliche Revolution vergibt den mit 2.500 Euro dotierten Filmpreis Leipziger Ring an einen „künstlerischen Dokumentarfilm, der das bürgerschaftliche Engagement von Menschen in aller Welt und ihr gewaltloses Ringen um Demokratie, Menschenrechte und die Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen beispielhaft dokumentiert“. Die Nominierung des Pegida-Films ist vor diesem Hintergrund mehr als skurril.

Am Donnerstagabend wurde nach dem Film noch lange und ausführlich diskutiert im Leipziger Bahnhof. Mit dabei war auch René Jahn selber („Ich bin mit dem Film, mit ganz geringen Abstrichen, sehr zufrieden“). Regisseurin Sabine Michel, die in Dresden geboren wurde und nach dem Abitur die Stadt verließ, sieht ihren Film als Beitrag zur „Streitkultur“ und forderte dazu auf, wieder mehr miteinander zu kommunizieren. Sie selber teile die Meinung von Pegida nicht, kann dafür aber erstaunlich viel Verständnis für die rechte Bewegung aufbringen. Dort würden schließlich Fragen diskutiert, „die uns alle bewegen, Globalisierung, Flüchtlinge, arm, reich“, sagt sie.

Doch Stimmen gegen Pegida kommen in ihrem Film, den sie als „nicht journalistisch“ bezeichnet, keine zu Wort. Dafür immerhin auf der anschließenden Diskussion: Eine Zuschauerin etwa erzählt unter Tränen, dass ihre türkischen Eltern als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind und sie sich persönlich angegriffen fühle von Pegida. Regisseurin Michel kann das nicht so recht verstehen. Sie fragt kurz darauf stattdessen: „Wie viele Führungskräfte kommen aus dem Osten?“ Dokumentarische Distanz sieht anders aus.

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