Grüne Ex-Politiker gründen Think-Tank: Transatlantischer Ruhestand

Mit dem Zentrum Liberale Moderne wollen Marieluise Beck und Ralf Fücks die Demokratie verteidigen. Im Fokus: die Aggressionen des Kreml.

Porträt Marieluise Beck

Will die Ukraine „kritisch und solidarisch begleiten“: Marieluise Beck Foto: reuters

BERLIN taz | Kein Ferienhaus in der Toskana, kein Schrebergarten, kein neues Haustier: Nach Jahrzehnten in der Politik sind die Eheleute und ehemaligen Grünen-Politiker Marieluise Beck und Ralf Fücks eigentlich seit ein paar Wochen im Ruhestand. Statt auszuspannen, nutzen sie diesen jetzt, um in Berlin einen neuen Think-Tank aufzubauen. „Warum wir das auf unsere alten Tagen machen? Weil die politische Situation zu schwierig ist, um nur das Dolce Vita zu genießen“, sagt Fücks am Mittwochabend bei der Präsentation des „Zentrum Liberale Moderne“ in Berlin.

Als Start-Up mit wenig Geld und ungewissem Ausgang bezeichnen Beck (bis Oktober für die Grünen im Bundestag) und Fücks (bis Juni Vorstand der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung) ihr Projekt. Ganz wie ein Start-Up veranstalten sie ihre Gründungsfeier dann auch in der Filiale eines Telefonunternehmens am Rande des Regierungsviertels. Vor Ort dürfen nur geladene Gäste dabei sein, für interessierte Journalisten bleibt ein Livestream im Internet. Der hängt sich zwischendurch zwar immer wieder auf. Worum es dem Duo geht, kommt trotzdem durch.

„Es gibt in der Geschichte Phasen von Zuspitzung und stürmischer Veränderung. Wir denken, dass wir uns in einer solchen Phase befinden“, sagt Fücks. Das Konzept der liberalen Demokratie mit Weltoffenheit und internationaler Zusammenarbeit werde herausgefordert – im Inland durch den Aufstieg der AfD, im Ausland durch Trump, Erdogan, Kaczyński und Putin. Fücks und Beck wollen „die liberalen Werte dagegen verteidigen“.

International setzen sie dafür auf die transatlantische Achse. „Nato-Freunde gründen Think-Tank“, titelte vorab das Neue Deutschland. Das klang erst unfair, weil das Blatt sein Urteil ausschließlich auf Grundlage der Mitstreiter zog. Auf der Gesellschafterliste des Zentrums stehen neben Beck (im Bundestag zuletzt die größte Streiterin für die Belange der Ukraine) und Fücks (erst im Oktober Unterzeichner eines „transatlantischen Manifest in Zeiten von Donald Trump“) unter anderem John Kornblum (ehemaliger US-Botschafter und Talkshow-Dauergast) sowie Eckart von Klaeden (Daimler-Lobbyist und Vorstand der Atlantik-Brücke).

Ganz falsch lag das Neue Deutschland mit seinem Urteil dann aber doch nicht. Während der Eröffnungsfeier im Telefonladen schalten Beck und Fücks ihre Internetseite frei. Dort dreht sich der Schwerpunkt der bisherigen Beiträge um die Beziehungen nach Osten und Westen.

Gegen die „Russland-Lobby“ in Deutschland

Fücks fordert die Jamaika-Sondierer auf, der „Russland-Lobby in Deutschland“ zu trotzen und an den Sanktionen festzuhalten. Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations verteidigt die „defensiven Manöver der Nato an der Ostflanke“ und kritisiert die „offensive, auf territoriale Eroberung ausgerichtete Militärstrategie“ Russlands. Und Jan Techau von der American Academy in Berlin warnt davor, aus „Unkenntnis über die strategische Bedeutung der deutschen Westbindung“ die transatlantischen Beziehungen in Frage zu stellen – Trump hin oder her.

Dazu kommt als erstes ausgegliedertes Projekt des Think-Tanks die Internetseite Ukraine Verstehen. Beck sagt am Mittwoch auf ihrer Feier, sie wundere sich manchmal, warum die Deutschen so „verhaltene Sympathie für die Freiheitsbewegung in der Ukraine“ pflegten. Im Falle Nicaraguas sei das vor ein paar Jahrzehnten ganz anders gewesen. Mit ihrer neuen Website will sie daher das „mühsame Ringen um eine demokratische Ukraine kritisch und solidarisch begleiten“.

Spender gesucht

Als Unterstützer ist auf der Ukraine-Seite die „International Renaissance Foundation“ angegeben – eine Organisation, die Aktionen der ukrainischen Zivilgesellschaft unterstützt. Sie bekommt ihr Geld wiederum vom US-Investor und Milliardär George Soros, einem Feindbild der internationalen Rechten. Weitere große Sponsoren listen Beck und Fücks ansonsten aber noch nicht auf.

Das Team ist entsprechend überschaubar. Für die inhaltliche Arbeit hat Beck drei Mitarbeiter ihres ehemaligen Bundestagsbüros übernommen. Hinzu kommen drei Mitarbeiter in der Verwaltung. Derzeit werben Beck und Fücks um Spenden, damit sie ihr Start-Up zu einem richtigen Think-Tank ausbauen können und es mit dem Zentrum Liberale Moderne langfristig weitergeht.

Wer davon etwas hätte? Transatlantiker aller Lager, die sich auf libmod.de eine Portion grüner Selbstvergewisserung abholen können. Und Putin-Freunde von RT Deutsch bis Nachdenkseiten, die sich sicherlich mit Freude am neuen Think-Tank abarbeiten werden.

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