Kommentar Grüne entdecken Gentechnik: Den Tod überflüssig machen

Bisher lehnen viele Grüne Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Doch nun erhebt die Parteispitze Gentechnik zum Allheilmittel.

Eine Forscherin hält eine Probe zwischen in den Fingern

Sollen die Grünen ihre grundlegende Ablehnung von genmanipulierten Lebensmitteln aufgeben? Foto: dpa

Die Grünen müssen offen sein, nach möglichst allen Richtungen. Das scheint der Grundgedanke zu sein, der sich durch das grüne Vorstandspapier zum neuen Parteiprogramm zieht. Früher oder später steht die Koalitionsfrage an. Störender Ballast muss deshalb nach den Wünschen der Parteispitze weg. Die ablehnende Positionen der Grünen zur Gentechnik stehen offensichtlich deshalb auch mit ganz oben auf der Aufräumliste.

Die Grünen sollen ihre grundlegende Ablehnung von genmanipulierten Lebensmitteln aufgeben. Bestimmte Methoden der Genveränderung könnten helfen, den Lebensmittelmangel in Dürreregionen zu überwinden, heißt es etwas verschwurbelt in dem Vorstandspapier. Konkret heißt das, neue genmanipulierende Methoden wie CRISPR sollen akzeptiert werden.

Die grüne Parteispitze fällt den Umweltorganisationen damit in den Rücken. Denn in Brüssel steht aktuell genau dieser Streit auf der Tagesordnung: Fallen Methoden wie CRISPR unter das Gentechnikrecht oder nicht. Die Umweltorganisationen und übrigens auch die Gentechnik-Experten der Grünen haben sich da klar positioniert. Sie kämpfen dafür, dass auch CRISPR-Pflanzen nicht einfach in die Umwelt freigesetzt oder als Lebensmittel verarbeitet werden dürfen. Und mitten in diesem Streit setzt sich der grüne Parteivorstand für das Gegenteil ein. Einen besseren Zeitpunkt, um der Gentech-Industrie einen Gefallen zu tun, hätte der Parteivorstand für sein Papier gar nicht wählen können.

Noch weitaus tiefgreifender ist die Position, die die Parteispitze bei den bioethischen Fragen plötzlich vertritt. Gentechnik wird zum Wunder- und Allheilmittel erkoren: Sie kann Krankheiten ausrotten, Leben verlängern – ja „sogar theoretisch den Tod überflüssig machen“. Bisher sind derartige Heilsverkündungen nur von der Gentech-Lobby bekannt. Und selbst vor dem Menschenklonen schreckt die Parteispitze in ihrem Fortschrittsglauben nicht zurück. Die Grünen sind tatsächlich dabei, sich überflüssig zu machen.

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Jahrgang 1955, war von 1993 bis Ende 2022 Wissenschaftsredakteur der taz. Er hat an der FU Berlin Biologie studiert. Vor seinem Studium hatte er eine Facharbeiterausbildung als Elektromechaniker gemacht, später dann über den zweiten Bildungsweg die Mittelere Reife und am Braunschweig-Kolleg die allgemeine Hochschulreife nachgeholt.

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