Naturschützer über rechten Ideologien: „Naturschutz ist nicht per se links“

Auch Nazis können Umweltschützer sein, sagt Lukas Nicolaisen von der Fachstelle Naturschutz und Rechtsextremismus.

Viele Bäume in einem dichten Wald

Der Wald: Auch Rechte wollen ihn schützen Foto: Niilo Isotalo/Unsplash

taz: Herr Nicolaisen, die Anti-AKW-Bewegung, die Grünen, Wachstumskritik. Umwelt– und Naturschutz sind linke Themen, richtig?

Lukas Nicolaisen: Das denken viele, aber das stimmt so nicht. Naturschutz ist nicht per se links. Seit wir die Fachstelle Naturschutz und Rechtsextremismus gegründet haben, passiert uns das oft, das Leute sagen: Was hat das denn bitte miteinander zu tun? Natur– und Umweltschutz wird oft als relativ neue Bewegung wahrgenommen, die in den siebziger, achtziger Jahren ihren Anfang nahm und dabei sehr liberale, alternative, linke Züge trug. Aber eigentlich liegen die Anfänge dieser Bewegungen viel weiter zurück, und leider finden wir da sehr viele Verknüpfungen mit faschistischen, extrem rechten und völkischen Ideologien, die ihnen ihren Stempel aufgedrückt haben.

Welche denn zum Beispiel?

Eine der ersten Ökologiebewegungen, 1904 von Ernst Rudorff gegründet, war der Bund Heimatschutz. Da wurde schon der Dreiklang aufgemacht, der sich später auch im Nationalsozialismus findet: Naturschutz ist Heimatschutz ist Volksschutz. Und Ernst Haeckel, der die ökologischen Wissenschaften mitbegründet hat und etwa den Begriff Ökologie überhaupt im deutschsprachigen Raum eingeführt hat, gilt auch als Wegbereiter von Rassenlehre und Eugenik.

Der Naturschutz hat also braune Wurzeln?

Zumindest können wir viele Verknüpfungen finden. Das ist ja auch ein Grund, warum das Thema aktuell für Rechte wieder so attraktiv ist.

Wie äußert sich das?

Wir beobachten zum Beispiel, dass neurechte Magazine wie Compact oder Sezession vermehrt über Umwelt– und Naturschutzthemen schreiben, wo dann auch immer Heimatschutz mit gemeint ist. Sogar bei rechtsextremen Kleinparteien wie Der dritte Weg können wir ein recht ausgefeiltes Programm zu diesen Themen finden. Und von Vordenkern der Neuen Rechten gibt es klare Aussagen dazu, man müsse den Ökologiebegriff zurück erobern und wieder nutzbar machen für die rechte Szene.

39, ist der Leiter der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz bei der Naturfreundejugend Deutschland.

Was erhoffen sich die Rechten strategisch von der Besetzung dieser Themen?

Zum einen ist natürlich klar, dass diese Themen im Mainstream gut ankommen, dass sie gerade in der bürgerlichen Mittelschicht einen positiven Anklang haben. Deswegen soll das als Türöffner benutzt werden. Aber es ist auch wichtig festzuhalten: Wenn Rechte sich mit Natur- und Umweltschutz beschäftigen, dann ist das nicht nur vorgeschoben, aus strategischen Gründen. Bestimmte Vorstellungen von Umwelt und Natur sind zentrale Themen in einem rechten Weltbild, sich damit zu beschäftigen liegt in ihrem eigenen politischen Interesse.

Was sind das für Vorstellungen? Ist das alles nur rückwärtsgewandt, oder finden sich auch nach vorne gerichtete Versatzstücke?

Die Themen, die auch in rechten Kreisen unter diesen Schlagwörtern diskutiert werden, sind zum Teil sehr neu. Zum Beispiel regionale Wirtschaftskreisläufe: Das ist für Rechte interessant, wenn die Betonung darauf gelegt wird, dass das Geld bei den eigenen Leuten bleibt. Auch die Degrowth-Bewegung und Wachstumskritik kann für Rechte interessant sein, wenn sie mit stark antiamerikanischen und zum Teil auch antisemitischen Haltung verbunden wird. Das macht es auch so schwierig: Die Themenfelder sind nicht per se rechts, aber wenn man genau hinschaut, kann man rechte Ideologien finden.

In der Rechten ist es weit verbreitet, den Klimawandel zu leugnen. Wie passt das mit einer Betonung von Ökologiethemen zusammen?

Ich glaube, das liegt schlicht daran, dass man bei diesem Thema nicht in den eigenen Grenzen bleiben kann: Wer an den Klimawandel glaubt, muss global denken. Man müsste dann anfangen, Verantwortung für Menschen in anderen Teilen der Welt zu übernehmen.

Am Wochenende veranstalten Sie eine Fachtagung zu dem Thema. Dabei geht es auch darum, wie Menschen, die im Umwelt- und Naturschutz aktiv sind, mit Rechten umgehen können. Welche Probleme gibt es in der Praxis?

Es gibt Unterwanderungsbestrebungen, zum Beispiel in der Anti-Braunkohle-Bewegung oder bei der gegen Gentechnik. Auch bei Großdemonstrationen sehen wir das, die Anti-TTIP-Proteste oder die Wir-haben-es-satt-Demonstration mussten sich zum Beispiel in letzter Zeit mit Versuchen der Vereinnahmung auseinandersetzen. Und grundsätzlich gilt eben, dass es auch Natur– und Umweltschützer aus dem rechtsextremen Spektrum gibt, und ich denke, dass sich der Rest der Bewegung dazu auch positionieren muss.

Was müsste aus Ihrer Sicht dafür passieren?

Aus meiner Sicht wäre das Wichtigste, dass man sich noch mal stärker mit der eigenen Geschichte auseinandersetzt, sich traut, sich mit den Anfängen der Bewegung zu beschäftigen. Dann kann man feststellen, welche problematischen Konzepte vielleicht zu unkritisch übernommen wurden.

Bei welchen Konzepten sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Ganz wichtig ist das bei der Diskussion um „Überbevölkerung“: Wenn das immer mit einem Blick auf den globalen Süden als Problem beschrieben wird, während die Steigerung der deutschen Geburtenrate positiv wahrgenommen wird, hat das einen klar rassistischen Unterton.

Und im engeren Bereich des Naturschutzes?

Da gibt es zum Beispiel das Thema Neobiota, also die sogenannten gebietsfremden Arten. Da wird sehr schnell gesetzt: Fremd ist gleich schlecht. Aggressiv-invasiv zum Beispiel ist ein Begriff, den es in der Wissenschaft eigentlich gar nicht gibt, der aber häufig verwendet wird. Und Rechte übertragen das dann nur zu gerne auch auf gesellschaftliches Zusammenleben. Dahinter steht aber auch die Frage, welches Verständnis von Naturschutz man hat: Muss die Natur konserviert werden, oder darf es da auch Veränderung und Dynamik geben?

Spielt Fortschritts- und Technologiefeindlichkeit auch eine Rolle?

Charlotte Roche hat neulich einen Text darüber veröffentlicht, dass das Stadtleben alle krank mache und alle aufs Land ziehen sollten. Das finde ich schon sehr antimodern, da findet sich ein Fortschrittspessimismus, der seit den Anfängen der Ökologiebewegung existiert und unhinterfragt weitergetragen wird. Dabei ist es zum Beispiel so, dass die Biodiversität in der Stadt mittlerweile größer ist als auf dem Land, wo Monokulturen vorherrschen. Aber das wird überhaupt nicht reflektiert in solchen Äußerungen.

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