Gastronom wird antisemitisch bedroht: Dreißig Seiten voller Hassmails

Yorai Feinberg erhält alle paar Tage antisemitische Hassmails. Polizei und Staatsanwaltschaft können ihm nicht helfen.

Yorai Feinberg im Porträt

„Ich bin nicht optimistisch“: Yorai Feinberg in seinem Restaurant in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Alle paar Tage bekommt Yorai Feinberg Hassmails. So geht es seit Jahren und er hat sich schon fast daran gewöhnt. Feinberg betreibt in Berlin ein israelisches Restaurant, in dem viele Davidsterne hängen – und er wehrt sich, wenn Antisemiten ihn beschimpfen. Das scheint immer mehr von ihnen anzulocken.

Im Dezember wurde Feinberg berühmt, als ein alter Nazi vor seinem Lokal auftauchte und ihn minutenlang anschrie. Ein Video davon kursierte online; und bald war Feinberg in allen Zeitungen. Seitdem bekommt er immer mehr Nachrichten. Der aktuellste Fall: ein Troll, der sich Ludwig Fischer nennt – wie der Kriegsverbrecher der Nazis, der von 1939 bis 1945 Gouverneur in Warschau war.

Dieser Troll schickt alle paar Tage Mails an Feinberg, inzwischen füllen die Texte etwa 30 DIN-A4-Seiten. Es sind lange, pseudowissenschaftliche Pamphlete, warum der Holocaust nicht stattgefunden haben kann.

Dazwischen Beschimpfungen: „Also mir wäre das peinlich, so zu lügen. Die Arabs wissen ja besser als die Deutschen, dass es nie Vergasungen gegeben hat. GELLE?? Die Polizei hasst dich auch. Alle hassen euch. Hahahahaa.“ Oder: „Juden und ihr Opfer-Fetisch… Jammern, Lügen, Aussaugen, Lügen, Morden. Das macht ihr seit tausend Jahren.“ Oder: „Ihr widerlichen Ratten… Euch muss man echt erschlagen.“ Immer wieder kündigt er an, Feinberg besuchen zu wollen. Zuletzt schickte er auch ein Exekutionsvideo. In der Nacht auf Dienstag erreichten Feinberg gleich vier Nachrichten hintereinander.

Die Polizei versucht zu beruhigen

Im März hatte Feinberg den Mann schon angezeigt, Mitte Juni wandte er sich erneut an das LKA. Seitdem ist wenig passiert. Feinberg leitet nun die Mails, die bei ihm eintreffen, an zwei Polizisten weiter. Sie sagten ihm, dass ihnen der Mann bekannt sei, dass sie Feinberg aber nicht sagen können, wer er ist. Nur so viel: Er wohne weit weg von Berlin, Feinberg müsse sich keine Sorgen machen.

Das ist ein übliches Vorgehen der Polizei. Damit schützen sie das Opfer auch davor, im Affekt den Täter aufzusuchen und selbst straffällig zu werden. Der taz gegenüber will sich die Polizei ebenfalls nicht äußern – „aus ­persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Gründen“, schreibt die Pressestelle.

Feinberg sorgt sich, dass er den Angreifer nicht erkennt, wenn der sein Restaurant betritt. Wüsste er, wie der Mann aussieht, könnte er sich zumindest wappnen. So bleibt ihm nur die Unruhe.

Facebook löscht Feinbergs Klage

In seiner Verzweiflung postete Feinberg Auszüge aus den Mails bei Facebook. Das wurde tausendfach geteilt. Hunderte sprachen ihm ihre Solidarität aus. Aber es dauerte nicht lange, und Facebook löschte den Post und sperrte Feinbergs Profil. Das passiert ihm jetzt schon zum zweiten Mal. Facebook kann oft nicht unterscheiden, wer mobbt und wer gemobbt wird.

Mittlerweile funktioniert sein Profil wieder, aber all die aufmunternden Kommentare unter seinem Post sind gelöscht. Dabei bräuchte Feinberg die jetzt am dringendsten. „Ich bin sehr wütend“, sagt er. „Es ist schlimmer als beim letzten Mal.“

Dazu kommt, dass Feinberg enttäuscht von den Behörden ist. Es geht um einen Fall im Jahr 2016. Damals hatte er sich das erste Mal gegen einen Antisemiten zur Wehr gesetzt. Akten von Polizei und Staatsanwaltschaft dazu liegen der taz vor.

Demnach war Feinberg mit seiner Freundin durch Charlottenburg gelaufen, als er einen Mann am Straßenrand stehen sah, der ein Schild in die Höhe hielt. Es ging darauf um eine angebliche zionistische Weltverschwörung.

Der Mann ist ein bekannter deutsch-sudanesischer Aktivist, der bei Facebook Texte postet, in denen der Holocaust geleugnet wird – er ist nach taz-Informationen arbeitslos und zieht seit Februar 2016 mit seinen Plakaten durch Berlin, um gegen Zionisten zu protestieren.

Gepackt und geschüttelt

Feinberg stellte ihn zur Rede. Der Mann habe ihn am T-Shirt gepackt und kräftig geschüttelt – so erzählen es Feinberg und seine Freundin. Vielleicht, weil der Aktivist den Davidstern um den Hals von Feinberg gesehen hatte.

Sofort bildete sich ein Auflauf. Feinberg konnte sich befreien und flüchtete sich mit seiner Freundin in ein Kaffeegeschäft, heißt es in den Polizeiakten. Dabei folgten ihnen zwei Männer. Sie folgten ihnen auch in ein Einkaufszentrum. Feinbergs Freundin bekam Angst. „Lasst uns in Ruhe“, schrie sie. „Scheiß Jude“, rief einer der Männer. „Scheiß Araber“, entgegnete Feinberg.

Die Polizei kam, vernahm alle und eröffnete schließlich ein Verfahren wegen wechselseitiger Körperverletzung. Der Aktivist hatte angegeben, von Feinberg geschlagen worden zu sein. Am nächsten Tag ließ der Aktivist sich ironischerweise im Jüdischen Krankenhaus im Wedding behandeln – die Ärzte stellten allerdings nur eine Prellung der rechten Hand fest.

Nach zwei Jahren Schriftverkehr wurde Yorai Feinberg vor einigen Wochen verurteilt – zu dreißig Tagessätzen, wegen der Beleidigung „Scheiß Araber“. Der Aktivist wurde freigesprochen, weil er laut Gutachter schuldunfähig sei.

Yorai Feinberg ist deshalb ziemlich frustriert. „Ich bekomme sehr viel Unterstützung und weiß das zu schätzen, aber insgesamt bin ich nicht optimistisch.“ Mittlerweile ist einfach zu viel passiert.

Der Aktivist ist weiterhin mit seinen Plakaten in Berlin unterwegs. Einige Monate nach dem Vorfall mit Feinberg griff er eine Frau am S-Bahnhof Friedrichstraße an – das meldet RIAS, die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus. Die Frau habe seine Plakate kritisiert. Er habe ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihr in die Rippen getreten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.