Kommentar Justizreform in Polen: Polen ist kein Rechtsstaat mehr

Die Regierungspartei PiS arbeitet seit Jahren an der Politisierung der Justiz. Mit dem neuen Gesetz ist die Gewaltenteilung in Polen aufgehoben.

Menschen demonstrieren am 4. Juli 2018 mit Plakaten vor der spiegelnden Fassade des Obersten Gerichtshof in Polen.

GegnerInnen der Justizreform protestieren am 4. Juli 2018 vor dem Obersten Gerichtshof in Warschau Foto: reuters

Polen ist keine rechtsstaatliche Demokratie mehr. Polens natio­nalpopulistische Regierungs­partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat ihr Ziel erreicht. Die in der polnischen Verfassung verankerte Gewaltenteilung ist seit Mittwoch aufgehoben. Das Gesetz über die Zwangspensionierung der Richter des Obersten Gerichts ist das letzte in einer langen Reihe, die die Politisierung der Justiz vorantrieben.

Als Erstes brachte die PiS das Verfassungsgericht unter ihre Kontrolle. Polens Präsident Andrzej Duda weigerte sich bereits 2015, die rechtmäßig noch vom Vorgänger-Sejm ernannten Richter zu vereidigen, und maßte sich ein eigenes Auswahlrecht an. Stattdessen vereidigte er Richter, die die PiS mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament ausgewählt hatte. An die Stelle des alle verpflichtenden Rechts trat das Prinzip Willkür. Zwar verwarf das Verfassungsgericht noch einige Gesetze der PiS als verfassungswidrig, doch die damalige Premierministerin Beata Szydło weigerte sich, diese Urteile im Amtsblatt der Regierung zu veröffentlichen, wie es ihre Pflicht gewesen wäre. Formalrechtlich gesehen traten die Urteile damit nicht in Kraft.

Mit insgesamt 13 Gesetzen „reformierte“ die PiS seit Ende 2015 Polens Gerichtswesen, erklärte den Bürgern mit einer groß aufgezogenen Werbekampagne, dass es nur darum gehe, die „arrogante Richterkaste“ zu disziplinieren, Altkommunisten und „korrupte Banditen“ unter den Richtern aus den Gerichten zu entfernen, auf dass künftig überall in Polen „Recht und Gerechtigkeit“ herrsche.

Zwar protestierte Polens Zivilgesellschaft vehement gegen die zunehmende Willkürjustiz, doch am Ende blieb nur die Hoffnung auf ein entschiedenes Eingreifen der EU-Kommission, des Europäischen Rates und am Ende des Europäischen Gerichtshofes. Tatsächlich eröffnete die EU ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen sowie – am Montag – ein Vertragsverletzungsverfahren. Doch die EU-Mühlen mahlen viel zu langsam. Wahrscheinlich kommt die Rettung aus Brüssel für Polens Demokratie zu spät.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.