Flüchtlingspolitik in Bayern: Start für Seehofers Ankerzentren

Am Mittwoch starten in Bayern die von der CSU durchgesetzten Flüchtlingszentren. Die Geflüchteten sollen dort bis zu 18 Monate bleiben.

Maschendraht und Hand eines Flüchtlings in Manching

„Bleibepflicht“ besteht für Geflüchtete in den Zentren wie hier in Manching Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Auf eine große Einweihungsshow verzichten die hochrangigen bayerischen CSU-Politiker diesmal. In den vergangenen Wochen gab es von Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann noch verschiedene öffentlichkeitswirksame Einladungen: Die neue bayerische Grenzpolizei wurde bejubelt, das ebenfalls neue bayerische „Landesamt für Asyl und Rückführungen“ mit Fototerminen gewürdigt.

Am heutigen Mittwoch beginnen nun die sogenannten Ankerzentren in Bayern ihre Arbeit, sieben Stück sind es. „Da findet nichts statt“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber dieser Zeitung, „die fangen jetzt einfach an in der neuen Struktur.“ Zu viel Brimborium möchte die CSU jetzt nicht machen über ihre rigide, auf Abschreckung setzende Asylpolitik. Wähler in der Mitte mögen die scharfen, populistischen Töne nicht, das zeigen die jüngste 38-Prozent-Umfrage für die Christsozialen sowie die Münchner Riesendemo „#ausgehetzt“ mit mehreren Zehntausend Teilnehmern.

Die Ankerzentren – das Wort Anker steht für „Ankunft, Entscheidung, Rückführung“ – sind aber ein entscheidender Teil der Flüchtlingspolitik, wie sie sich Söder und Herrmann vorstellen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat von Berlin aus das ihm Mögliche dazu beigetragen.

In den sieben Zentren – in jedem bayerischen Regierungsbezirk gibt es eines – werden alle im Freistaat neu aufgenommenen Flüchtlinge untergebracht. Es besteht eine „Bleibepflicht“, die Menschen sind dort festgesetzt, auch wenn man sie nicht einsperrt. Dafür entfallen die bisherigen verschiedenen Erstaufnahmeeinrichtungen. Laut Beschluss der Großen Koalition soll es in ganz Deutschland solche Ankerzentren geben. Die Umsetzung liegt allerdings bei den Ländern, und kein anderes außer Bayern ist gegenwärtig daran interessiert. Der Freistaat aber hat umso eifriger gearbeitet, um den Starttermin 1. August einhalten zu können.

Einrichtungen bestehen de facto schon seit Längerem

Dependancen von verschiedenen Behörden sind in den Ankerzentren eingerichtet – etwa des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das über Asylanträge entscheidet, der Verwaltungsgerichte, die für Widersprüche zuständig sind, oder der Agentur für Arbeit. So sollen die Entscheidungen beschleunigt und laut Herrmann bei positiven Bescheiden auch rasch mit der Integration begonnen werden. „Wir brauchen schnell Klarheit, wer im Land bleiben darf“, sagt der Minister.

Nach den Plänen sollen die Geflüchteten bis maximal 18 Monate in den Zentren festsitzen, Familien mit Kindern bis zu sechs Monaten. Die Einrichtungen bestehen de facto schon seit Längerem. So wird etwa die Erstaufnahmeeinrichtung Oberfranken in Bamberg zum Ankerzentrum, ebenso das sogenannte Transitzentrum Manching bei Ingolstadt, wo Geflohene mit aus Sicht der Behörden geringer Bleibeperspektive bislang untergebracht sind.

Es handelt es sich um riesige Sammelunterkünfte, wie in Bamberg mit Betten für bis zu 3.400 Menschen, einige sind für etwas weniger als 1.000 Bewohner ausgelegt. Hochgerechnet gibt es in Bayern dann Platz für etwas mehr als 9.000 Flüchtlinge, über deren Schicksal dort entschieden wird. In den Zentren gilt strikt das Sachleistungsprinzip – die Flüchtlinge erhalten dort das Essen und Gutscheine, aber so wenig Bargeld wie möglich.

Herrmann will damit „falschen Anreizen für Wirtschaftsmigration“ entgegentreten. Wer keinen Aufenthaltsstatus für Deutschland bekommt, wird über Rückkehrhilfen und mögliche Prämien informiert, auch Abschiebungen sollen durch die Zentren besser und zügiger organisiert werden.

Die Ankerzentren sind für die CSU eine Möglichkeit, ganz eigene politische Akzente zu setzen

Die Ankerzentren sind für Söder und Co. tatsächlich eine Möglichkeit, ganz eigene politische Akzente zu setzen, aus Sicht der Staatsregierung wird für „Ordnung“ gesorgt. Etwas anders verhält es sich bei der bayerischen Grenzpolizei. Deren Mitarbeiter werden zwar in schöne neue Uniformen gesteckt, sie können aber der Bundespolizei nur zuarbeiten. Ähnlich ist es mit dem Asyl-Landesamt, auch in Manching angesiedelt, wo die neuen Sachbearbeiter zuliefern sollen und etwa Pässe beschaffen oder Abschiebungen konkret organisieren. Die Grünen-Landtagsopposition hält das für einen „Fall für den Landesrechnungshof“. Bayern baue damit Doppelstrukturen auf, so die Kritik, Geld des Landes werde für Aufgaben des Bundes verschwendet.

Grüne, SPD und Linke sowie viele gesellschaftliche Organisationen, Flüchtlingshelfer und die Kirchen stellen sich gegen die CSU-Asylpolitik und die Ankerzentren. Bezweifelt wird, dass Erwachsene tatsächlich maximal 18 Monate dort verbleiben und Familien mit Kindern nur 6 Monate. In den bisherigen Transitzentren gibt es einige Geflüchtete, die schon deutlich länger ausharren müssen.

„Die massiven Einschränkungen der Lebenssituation der Menschen sind nicht zu rechtfertigen“, klagt Caritas-Präsident Peter Neher. Flüchtlingsorganisationen sprechen von „Internierung“ und fordern: „Lagerpflicht abschaffen“. Massenunterkünfte seien „menschenfeindlich“. In der Praxis der Flüchtlingshelfer zeigt sich seit Jahren, dass eine dezentrale Verteilung am besten für das Zusammenleben ist, während Massenheime zu Gettoisierung und Konflikten führen.

„Kein Grund zum Feiern, sondern zum Schämen“, sieht Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat in den Zentren. „Bayern verursacht mit seiner menschenfeindlichen Politik massive Konflikte im Inneren der Lager und eine minimale Akzeptanz bei den Nachbarn.“ Der Flüchtlingsrat kritisiert den „Lagerzwang“ und den „massiven Ausreisedruck“ in den Zentren.

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