Rechter Bombenanschlag in Hamburg: Zehn Jahre Haft für Rechtsextremen

Das Landgericht Hamburg verurteilt einen Rechtsextremen zu zehn Jahren Haft. Der Mann hatte eine Bombe am S-Bahnhof Veddel gezündet.

Ein Entschärfer der Polizei untersucht auf dem S-Bahnhof Veddel nach einer Explosion den Tatort.

Ein Entschärfer am Tatort. Schwer verletzt wurde niemand – doch das war reiner Zufall Foto: dpa

HAMBURG taz | Keine Reaktion war im Gesicht des Angeklagten Stephan K. zu sehen. Am Montagnachmittag verurteilte das Landgericht Hamburg den 52-Jährigen wegen versuchten Mordes zu zehn Jahren Haft. Der Angeklagte hatte am 17. Dezember vergangenen Jahres eine Plastiktüte mit 73 Schrauben und zwei pyrotechnischen Sprengkörpern auf dem Bahnsteig abgestellt und nach dem Einfahren einer S-Bahn gezündet.

Die Tat sei „kein vorgezogener Silvesterspaß“ gewesen, wie vom Angeklagten behauptet, hob die Vorsitzende Richterin hervor. Es sei vielmehr ein „perfider und heimtückischer Anschlag“ gewesen, dessen Auswirkung Unbeteiligte schwer hätte verletzen können. Alleine dem Zufall sei es geschuldet, dass es nicht zu schweren Verletzungen gekommen sei.

Seit Juni musste sich der Mann mit Glatze und Tätowierungen wegen des Anschlages verantworten. Die Richterin ließ bei der Urteilsbegründung keinen Zweifel aufkommen, dass das Gericht seiner Teileinlassung nicht folgte. Seinen Pflichtverteidiger hatte K. sagen lassen, dass er die Bombe aus einer spontanen Idee heraus gezündet habe, um Leute zu erschrecken. Ein Kumpel habe ihm die Böller geschenkt. Dass in der Tüte 72 Schrauben waren, will K. nicht bemerkt haben.

Das Gericht sah das anders. Wer so eine Sprengsatz zünde, „will Menschen nicht erschrecken, sondern verletzen“, sagte die Richterin. Dementsprechend wertete das Gericht die Tat denn auch als versuchten Mord. K.'s Verteidiger hatte sich für eine Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren ausgesprochen. Er sah keinen Beleg für einen Tötungsvorsatz.

Seit der Verhaftung von K., der ohne festen Wohnsitz ist, standen Polizei und Staatsanwaltschaft in der Kritik, da sie ein rassistisches Motiv sofort ausgeschlossen hatten. Die Richterin hob dagegen K.‘s Vergangenheit in der rechtsextremen Szene hervor. Vor 26 Jahren war er zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden – wegen der brutalen Ermordung des ehemaligen Kapitäns Gustav Schneeclaus, der Adolf Hitler als Verbrecher bezeichnet hatte. Insgesamt ist K. in der Vergangenheit wegen 18 Straftaten verurteilt worden, davon elf Taten gegen die körperliche Integrität.

„Glühender Anhänger Adolf Hitlers“

Möglicherweise sei der Angeklagte strukturell nicht mehr in der rechtsextremen Szene verankert, sagte die Richterin, aber die Beweisaufnahme hätte gezeigt, dass er „bis heute eine rechtsextreme Gesinnung“ habe und weiterhin ein „glühender Anhänger Adolf Hitlers“ sei. Im Verfahren hatte insbesondere die ehemalige Lebensgefährtin betont, dass K. eine rechtsextreme Einstellung habe. Zu der Aussage der Finanzbeamtin war es nur gekommen, weil sie sich selbst beim Gericht gemeldet hatte.

Was den Angeklagten zu der Tat getrieben habe, habe man nicht sicher feststellen können, sagte die Richterin. „Es gibt kein Motiv für diese feige Anschlagstat.“ Auch wenn es angesichts von K.'s rechtsextremer Gesinnung nicht fernliege, dass die Tat aus ausländerfeindlichen Motiven heraus begangen worden sei. Konkrete ausländerfeindliche Anschlagspläne hätten aber nicht festgestellt werden können. Auch wenn auf der Veddel überwiegend Ausländer wohnen, hätte es „jeden treffen können“.

Mit dem Urteil geht das Gericht weiter als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Die hatte auf acht Jahre Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes in vier Fällen plädiert. „Die Beharrlichkeit der Vorsitzenden Richterin hat dazu beigetragen, dass die lückenhafte Beweisaufnahme im Prozess umfangreich ergänzt wurde“ sagt Robert Steinbrügge von der Initiative für die Aufklärung des NSU-Mordes an Süleyman Taşköprü. Die Initiative hatte den Prozess mitverfolgt, da sie befürchtete, dass der politische Kontext ausgeblendet werden könnte.

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