Cum-Ex-Betrug der Banken: Deutschland am Pranger

Warum hat Deutschland die anderen Staaten nicht vor den Cum-Ex-Betrügern gewarnt? Dänemark und Europaabgeordnete fordern Aufklärung.

Aktienhändler an der Frankfurter Börse

Kursgewinne und Dividenden reichten einigen Finanzmanagern nicht, sie sahnten beim Steuerbetrug ab Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Durch ausgeklügelte Steuertricks soll der Fiskus in Deutschland und anderen EU-Ländern um bis zu 55 Milliarden Euro geprellt worden sein. Bisher fielen die Reaktionen in Berlin und Brüssel auf den sogenannten Cum-Ex-Skandal zurückhaltend aus – dabei stellt er alle Finanzskandale der letzten Jahre in den Schatten.

Doch nun kommt Bewegung in die Affäre: Dänemark macht Druck auf Deutschland. „Die dänische Bevölkerung braucht und verdient Klarheit, ob wir bei rechtzeitiger Warnung aus Deutschland den Betrug hätten stoppen können“, sagte Steuerminister Karsten Lauritzen. Nach Medienberichten soll die Bundesregierung schon 2012 gewusst haben, dass auch Dänemark im Visier der Steuerbetrüger war. Eine Warnung aus Berlin erhielt das Land aber nicht. Dabei ist das Ausmaß der Affäre enorm: Den deutschen Behörden liegen schon 418 Fälle vor.

Auf Nachfrage will das Bundesfinanzministerium aber nicht sagen, welche Länder über das Schlupfloch informiert wurden – und wann. Neben Dänemark wurden auch Frankreich, Spanien, Italien und fünf weitere EU-Länder sowie die Schweiz geschädigt.

Auch die EU-Kommission zeigt bisher wenig Ehrgeiz bei der Aufklärung der „Cum-Ex-Files“. Bis zur Enthüllung durch Medien erklärte sich die EU-Behörde für nicht zuständig: Man befasse sich nur mit Steuerbetrug, wenn es sich um grenzüberschreitende Vorfälle handelt, hieß es.

Der für Steuern zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici zeigte sich am Dienstag Nachmittag in Straßburg zwar empört: „Ich halte das für absolut unmoralisch und die Bürger sind solche Geschäfte zu Recht leid“, sagte er. „Deswegen brauchen wir eine bessere EU-weite Regulierung.“ Doch konkrete Schritte kündigte Moscovici nicht an. Dies ruft nun das Europaparlament auf den Plan – es verlangt Aufklärung und politische Konsequenzen.

Der Staat schaute den Steuerdieben nur zu

„Die europäischen Bürger und Bürgerinnen sind es leid, dass die Staaten von betrügerischen Bankern ihrer Steuereinnahmen beraubt werden“, so Martin Schirdewan, finanzpolitischer Sprecher der Linken. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung und die EU-Kommission „dem Steuerdiebstahl durch Banker zusehen, gleichzeitig aber einen knallharten Sparkurs in Europa durchsetzen“.

Kritik kommt auch von Sven Giegold (Grüne). „Cum-Ex ist der größte europäische Steuerskandal“, sagte er der taz. Das müsse Konsequenzen haben: „Wir brauchen eine europäische Untersuchung durch die Finanzaufsichtsbehörden.“ Auch das temporäre Verbot von Handelspraktiken dürfe kein Tabu sein.

Auch das temporäre Verbot von Handelspraktiken dürfe kein Tabu sein

Bei den umstrittenen Geschäften schoben Investoren rund um den Dividendenstichtag Aktien zwischen mehreren Beteiligten hin und her. Diese ließen die Papiere dann solange untereinander zirkulieren, bis dem Fiskus nicht mehr klar war, wem sie gehörten.

Diese schwer durchschaubare „Cum-“ und „ex-“Deals sorgten systematisch für Verwirrung. Als Folge der intransparenten Karussellgeschäfte wurden Bescheinigungen über Kapitalertragsteuern und den darauf fälligen Solidaritätszuschlag mehrfach ausgestellt. Die Finanzämter erstatteten so letztlich mehr Steuern, als sie zuvor eingenommen hatten – die Zeche zahlt der Steuerzahler.

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