Kommentar UN-Migrationspakt: Der rechte Wahn hat Methode

Ein Netzwerk von Rechtsextremen hat es geschafft, den UN-Pakt mit einem Lügengebäude zu diskreditieren. Ein erschütternder Vorgang.

eine von Polizisten abgeschirmte Demo

24.11.: In Basel schirmt die Polizei die Demo der PNOS gegen den UN-Pakt von der Gegendemo ab Foto: dpa

Sie alle sagen dasselbe. Doch sie dringen nicht mehr durch. Unter den VerteidigerInnen des UN-Migrationspaktes sind seriöse Institutionen wie die Stiftung Wissenschaft und Politik, eine von der Bundesregierung betriebene Forschungseinrichtung, deren Kompetenz in Fragen der Sicherheitspolitik nie ernsthaft angezweifelt wurde. Zu den VerteidigerInnen des Paktes zählen auch namhafte ForscherInnen und Experten – politisch Konservative wie Linke. Sie alle sagen: Die deutsche Regierung soll dem Pakt zustimmen. Es gibt keinen Grund zur Sorge.

Es nützt aber nichts. Ein Netzwerk von Rechtsextremisten hat es geschafft, den Pakt mit einem bodenlosen Lügengebäude international zu diskreditieren. Das ist ein erschütterndes Beispiel dafür, wie man mit Demagogie Weltpolitik betreiben kann. Seit sie auch Regierungen wie in Ungarn und Österreich besetzen, hat die Kampagnen­fähigkeit der Rechten enorm zugenommen.

So lässt sich die atemberaubende Dynamik der Diskussion über den Pakt in den letzten Wochen erklären. Bei Teilen der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative kulminiert der Wahn in der Behauptung, die Konferenz in Marrakesch, die den Pakt verabschieden soll, markiere den Beginn „der finalen Phase unserer Ausrottung“. Gemeint ist vermutlich die der weißen Europäer. Absurd.

Und doch funktioniert es. Bürgerliche Medien raunen von einer drohenden „Völkerwanderung“. Teile der Union wollen noch mal drüber reden. Die Bundesregierung gerät in die Defensive, muss sich anhören, sie habe im Geheimen verhandelt. In Wirklichkeit war kaum ein UN-Prozess offener und transparenter.

Ein grundsätzliches Bekenntnis zur Migration

Der Migrationspakt wäre besser, wenn er noch weiter gehen würde. Aber auch so stärkt er Rechte von Millionen MigrantInnen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten – etwa das Recht auf Schutz vor Ausbeutung durch Arbeitsvermittler. Vor allem aber ist der Pakt ein grundsätzliches Bekenntnis zur Migration an sich. Auf dieses Bekenntnis haben sich fast alle Staaten der Welt innerhalb von knapp zwei Jahren geeinigt. Im Vergleich zu der unendlich mühseligen Klimaschutzdiplomatie war das geradezu eine Sternstunde des Multilateralismus.

Die Rechten wollen das politische Bekenntnis zur Migration niederkämpfen – und testen, ob sie der Mehrheitsgesellschaft ihren Willen aufzwingen können. Der Methode Trumps folgend, werden Lügen so oft wiederholt, bis öffentlich etwas hängen bleibt. Wenn man sie jetzt gewähren lässt und die Zustimmung zu dem Pakt infrage stellt, werden sie es immer wieder tun.

Der UN-Migrationspakt: Der vollständige Vertragstext – kommentiert von ExpertInnen für Migration.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.