Verwerfungen bei Tennis Borussia Berlin: Tumulte und dubiose Neu-Mitglieder

Die Lage beim Fußballverein Tennis Borussia Berlin spitzt sich zu. Die Auseinandersetzung mit Investor Redlich erreicht ihren vorläufigen Höhepunkt.

Jens Redlich steht mit verschränkten Armen vor dem Wappen von Tennis Borussia Berlin

Um ihn geht es: den TeBe-Vorstandsvorsitzenden Jens Redlich Foto: imago/Matthias Koch

BERLIN taz | Mögliche Manipulation, Tumulte und dubiose Neu-Mitglieder: Die Situation um den Fußballoberligisten und Traditionsverein Tennis Borussia Berlin und seinen allmächtigen Investor Jens Redlich wird immer absurder. Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Mittwochabend wurden fünf Plätze im Aufsichtsrat neu besetzt. Zehn Kandidaten traten dafür letztlich an, darunter fünf Getreue des Vorstandsvorsitzenden und Investors Redlich.

Der Investor versucht schon seit langem, den Einfluss der Fans im Verein einzuschränken. Die Liste der Rauswürfe und Diffamierungen gegen Andersdenkende bei TeBe unter Redlich ist lang. Zahlreichen Berichten zufolge soll er nun einen hübschen Kniff gefunden haben, Demokratie zu seinen Gunsten zu beeinflussen: Auf der Mitgliederversammlung sollen massenhaft angeworbene Neu-Mitglieder erschienen sein und für Redlichs Kandidaten für den Aufsichtsrat gestimmt haben. Bei den Neuen, so berichtet ein TeBe-Mitglied der taz, habe es sich etwa um Bauarbeiter gehandelt, die direkt von der Arbeit kamen, zum Teil überhaupt kein Deutsch sprachen und am Eingang direkt Anweisungen erhalten hätten. Ein Neumitglied soll eingeräumt haben: „Wir waren noch nie bei TeBe.“

„Die bulgarischen Bauarbeiter trugen Arbeitskleidung und wurden in einem Reisebus hergebracht. Sie konnten zuerst in keiner Mitgliederliste gefunden werden, dann hat man sie offenbar doch gefunden“, so Dennis Wingerter, stellvertretender Abteilungsleiter von TBAF (Abteilung Aktive Fans von Tennis Borussia), gegenüber der taz. „Es gab zwei größere neue Gruppen: Die Bulgaren und viele, die nach Fitnessstudio-Belegschaft aussahen.“ Investor Jens Redlich wurde für diesen Text telefonisch befragt und nahm zu den Vorwürfen Stellung. Er ließ jedoch im Nachgang alle Äußerungen streichen und verbot die Verwendung.

Redlich soll gesagt haben, man müsse eben auf Akquise gehen, wenn man den Verein vergrößern wolle

Die Berichte über Manipulation waren am Mittwochabend vielfach auf Twitter aufgetaucht. „Es stellt sich in Gesprächen heraus, dass offenbar gezielt Menschen…nennen wir es…angeworben wurden für diese Mitgliederversammlung“, twitterte etwa der Journalist Sören Kohlhuber. Der Schachzug verlief erfolgreich: Zwei Drittel der Stimmen gingen an die Getreuen Redlichs.

Die Neu-Mitglieder seien dann, so berichtet ein Twitter-User, nach der Stimmabgabe verschwunden, „und interessieren sich überraschenderweise nicht für das Ergebnis.“ Viele sollen sich während der Veranstaltung vor allem bei den Freigetränken im Foyer aufgehalten haben und erst zur Abstimmung erschienen sein.

„Bei den früheren Mitgliederversammlungen waren es immer zwischen 50 und 100 Stimmen“, so Wingerter. „Diesmal haben wir 568 gültige Stimmen gezählt. Zum Vergleich: Bei der Mitgliederversammlung vor zwei Jahren hatte TeBe 571 stimmberechtigte Mitglieder, anwesend waren davon 86. Ungefähr 150 Leute, die am Mittwochabend da waren, hatte ich noch nie gesehen.“ Die mutmaßliche Aktion war nach derzeitigem Wissensstand höchstwahrscheinlich legal. Nach TBAF-Angaben dürfen neue TeBe-Mitglieder sofort und ohne Sperrfrist auf Mitgliederversammlungen abstimmen. Außerdem kann jedes Mitglied bis zu drei weitere Mitglieder per Vollmacht vertreten.

Noch am Abend äußerten zahlreiche Fans online ihre Wut und Fassungslosigkeit. Viele sprachen von einer Farce. Auf der Versammlung selbst kam es zu Tumulten und Handgreiflichkeiten. Mehreren Berichten zufolge sollen Redlich-Anhänger außerdem Frauen sexistisch beleidigt haben. Am Abend herrschte in den sozialen Netzwerken unter TeBe-Anhängern eine Mischung aus Entsetzen, Resignation und Ironie. „Kleine aber feine Fanszene für die Rückrunde 2018/19 zu verleihen“, schrieb ein Fan via Twitter. Juso-Chef und TeBe-Fan Kevin Kühnert schrieb: „Mit Tennis Borussia wird heute ein Traditionsclub nach allen Regeln der Kunst gekapert.“ Dennis Wingerter berichtet: „Die Stimmung ist miserabel, gestern Abend herrschte Schockstarre. Unter dem aktuellen Vorstand wird sich das nach gestern auch nicht mehr ändern.“

Jens Redlich ist Geschäftsführender Gesellschafter der Fitnesskette Crunch Fit und seit 2016 Investor, seit 2017 Vorstandsvorsitzender im Verein. Er wünscht sich in der links geprägten Fanszene schon lange „mehr Neutralität“. Die außerordentliche Mitgliederversammlung war überhaupt nur auf massiven Druck durch die Abteilung Aktive Fans von Tennis Borussia (TBAF) zustande gekommen.

Transparenzhinweis: Ein taz-Redakteur ist Mitglied der Abteilung Aktive Fans von Tennis Borussia. Er hat der Autorin am Donnerstag seine Beobachtungen geschildert. Auf den Inhalt des Artikels hatte er darüber hinaus keinen Einfluss.

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