25 Jahre nach Völkermord in Ruanda: Deutsche Rolle unaufgeklärt

Grüne und Linke verlangen eine Untersuchung der Rolle Deutschlands in Ruanda beim Völkermord 1994. Die damalige Passivität sei unerforscht.

Ein Moench spaziert entlang der Wand des Genozid-Memorials in Ruanda

Von vielen Opfern des Jahres 1994 bleibt allein ein Name an der Wand des Genozid-Memorials Foto: Karsten Thielker

BERLIN taz | Eine umfassende Aufarbeitung möglicher deutscher Versäumnisse beim Völkermord in Ruanda 1994 – das fordert ein interfraktioneller Antrag, der am Dienstag den Fraktionen der Grünen und Linken zur endgültigen Beschlussnahme vorlag und der der taz vorliegt.

Kern des Antrags „25 Jahre Völkermord in Ruanda – unabhängige historische Aufarbeitung in Deutschland“ ist die Forderung nach der Einrichtung einer „interdisziplinären historischen Kommission“, die alle deutschen Aktivitäten in Ruanda in den Jahren vor dem Völkermord untersucht. Die Kommission soll „umfassenden Zugang zu den Archiven“ erhalten und bis 2021 Bericht erstatten.

Dem Antrag vorausgegangen waren mehrjährige Diskussionen in Fachkreisen darüber, ob Deutschland damals mehr hätte tun können, um den Völkermord zu verhindern. Dessen Vorbereitungen waren damals in Ruanda sichtbar: Aufbau von Hutu-Jugendmilizen, Hetzpropaganda gegen auszulöschende innere Feinde und insbesondere Tutsi im Radio und auf öffentlichen Versammlungen, vereinzelte Massaker an Tutsi, das Verteilen von Macheten, das Untergraben von Friedensbemühungen durch politisch Verantwortliche. Die Bundeswehr aber kooperierte bis April 1994 mit Ruandas damaliger Armee, die Entwicklungshilfe stieg, es gab vielfältige offizielle Verflechtungen.

Zwischen dem Abend des 6. April und Anfang Juli 1994 massakrierten Ruandas staatliche Sicherheitskräfte sowie von diesen angeleitete Hutu-Milizen schließlich bis zu einer Million Menschen, zumeist Tutsi – die damalige Hutu-Staatsmacht wollte eine mögliche Machtbeteiligung von Tutsi-Rebellen durch Ausrottung sämtlicher Tutsi unmöglich machen. Was auch fast gelungen wäre, hätten die Tutsi-Rebellen nicht die Hutu-Armee in den Kongo zurückgedrängt.

Belgien und Frankreich untersuchten

Warnungen vor dem Völkermord wurden in Deutschland – wie auch anderswo – ignoriert, „aus bis heute unaufgeklärten und unverständlichen Gründen“, wie es im Antragstext heißt: „Aus heutiger Sicht ist es nicht nachvollziehbar, wieso der Fülle an Informationen über die extrem bedrohliche Lage in Ruanda keine entschiedenen Taten der Bundesrepublik Deutschland folgten.“ Anders als Belgien und Frankreich habe Deutschland dies nie offiziell untersucht.

All das war bereits zum 20. Jahrestag des Völkermords im Jahr 2014 Thema politischer Debatten, auch im Bundestag. Dieser hatte damals eine Gedenkstunde für die Toten abgehalten und einen überparteilichen Gedenkantrag von CDU/CSU, SPD und Grünen angenommen. In diesem Jahr ist all dies nicht geplant, und auch der neue Antrag dürfte zunächst in die Ausschüsse verwiesen werden.

In der Endfassung ist die FDP-Fraktion nicht mehr dabei. Sie plant einen eigenen Antrag

Kontrovers dabei ist, dass bis zum Montag auch die FDP – die damals in Deutschland den Außenminister stellte – den Antrag mittrug, in der Endfassung vom Dienstag aber nicht mehr dabei ist. Man wolle einen eigenen Antrag einbringen, der einen „zukunftsorientierten Ansatz“ verfolge und auf „Verbesserung von Krisenfrüherkennung“ und „eine effektive Strafverfolgung von Verantwortlichen“ ziele, sagte Gyde Jensen, FDP-Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, der taz.

Denn mit dem Rückzieher der FDP ist der Teil aus dem grün-linken Antrag verschwunden, der jene Abteilung der Bundesanwaltschaft stärken will, die für die strafrechtliche Verfolgung in Deutschland lebender möglicher Völkermordtäter zuständig ist. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, welche Spuren die enge offizielle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ruanda vor dem Völkermord hinterlassen hat: Die im Kongo kämpfende Nachfolgeorganisation der Völkermordtäter, der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) gab sich eine in Deutschland lebende politische Führung, die schließlich vor Gericht landete; viele hohe FDLR-Kommandeure wurden einst in Hamburg an der Bundeswehrakademie ausgebildet.

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