Kirchenasyl: Im Käfig der Nächstenliebe

Seit drei Monaten sind zwei Brüder einer Göttinger Roma-Familie im Kirchenasyl, um nicht ins Kosovo abgeschoben zu werden. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Haben genug vom Leben in der Kirche: Ramadan und Jetmir Kryeziu. Bild: Christiane Hinzmann

"Wir wollen hier raus", sagt Ramadan Kryeziu. "Wir wollen hier raus und wir wollen frei sein." Seit drei Monaten leben der 23-jährige Göttinger und sein vier Jahre jüngerer Bruder Jetmir im Kirchenasyl, viermal schon mussten sie während dieser Zeit ihren Zufluchtsort wechseln, und die Situation zerrt zunehmend an den Nerven der beiden jungen Männer. "Wir sind hier eingeschlossen in einem Käfig wie Tiere, wir sind psychisch und physisch kaputt."

Raus aus dem Käfig Kirchenasyl können Ramadan und Jetmir Kryeziu derzeit aber nicht. Die 19 und 23 Jahre alten Männer sollten am 22. Juni in das Kosovo abgeschoben werden. Ihre erkrankten Eltern und ein jüngerer Bruder hatten in letzter Minute Abschiebeschutz vom Verwaltungsgericht erhalten. Am Vorabend des geplanten Abschiebefluges suchten die Brüder in der evangelischen Göttinger Christophorus-Kirche Zuflucht. Nachdem sie vorübergehend in zwei Kirchen bei Peine unterkamen, sind sie jetzt Gäste der Göttinger evangelisch-reformierten Gemeinde.

Rechtlich ist in dem Fall nicht mehr viel zu machen, sagt Christiane Jendral vom Unterstützerkreis. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte schon im Juli eine Beschwerde gegen die von der Stadt Göttingen verfügte Abschiebung abgelehnt und verwehrte dem Brüderpaar auch eine Anerkennung als "De-facto-Inländer" nach der Europäischen Menschenrechtskommission.

"Nicht ausreichend integriert" - mit der Begründung hatte schon die Kommune die Ausweisung begründet, das Verwaltungsgericht schloss sich an. Dabei haben Jetmir und Ramadan Kryeziu den Hauptschulabschluss erlangt und Zusagen für Ausbildungsplätze. "Den beiden gebührt Hochachtung, dass sie unter den Bedingungen überhaupt an Ausbildungsplätze gekommen sind", sagt Jendral.

Die Familie Kryeziu kam vor etwa 20 Jahren nach Deutschland. Seit zehn Jahren lebt sie in Göttingen mit der Angst vor einer Abschiebung. Ihre Duldung sei zuletzt immer nur für ein, zwei Monate und schließlich gar nicht mehr verlängert worden, berichtet der Göttinger Ausländerpfarrer Peter Lahmann.

Jetmir Kryeziu erzählt, dass er das Kosovo nie gesehen hat. "Wir kennen die deutsche Politik und die deutsche Geschichte, im Kosovo kennen wir nicht mal den Namen vom Präsidenten." Ihre Hoffnung auf ein Bleiberecht in Deutschland haben die Brüder noch nicht aufgegeben. Sie haben einen Asylfolgeantrag wegen der Diskriminierung und Verfolgung von Roma im Kosovo gestellt. Über den Antrag ist nicht entschieden. Parallel dazu läuft eine Petition an den Bundestag.

Dagegen sei eine von den Unterstützern vorbereitete Eingabe an die Härtefallkommission des Landtags "derzeit sinnlos", sagt Jendral. Das Innenministerium verweigere eine Befassung, weil sich die beiden durch das Kirchenasyl der Abschiebung entzogen hätten. "Der Sinn von Kirchenasyl wird durch so eine Haltung ad absurdum geführt."

Die reformierte Gemeinde hat das Kirchenasyl bis längstens zum Beginn der Herbstferien in Niedersachsen am 5. Oktober befristet. Der Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Göttingen, Friedrich Selter, kündigt aber an, die beiden Flüchtlinge würden auch danach "nicht im Stich gelassen". Es gebe bereits Signale von anderen Gemeinden, die Brüder aufzunehmen. "Wir hoffen weiter auf den Schutz der Kirche", sagt Jetmir Kryeziu. "Aber wir hätten nicht gedacht, dass es so lange dauert."

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