Berlin wiederholt Bundestagswahl: Klare Schlappe für die SPD
Bei der Wahlwiederholung verliert die SPD gegenüber 2021 mehr als ein Drittel ihrer Stimmen. Die Grünen bleiben konstant. Die Wahlbeteiligung sinkt deutlich.
taz | Eine heftige Niederlage für die SPD, eine dramatisch eingebrochene Wahlbeteiligung, Zugewinne für CDU und AfD, aber keine Veränderungen bei den Siegerinnen und Siegern in den zwölf Wahlkreisen: Das ist im Kern das Ergebnis der Berliner Teilwiederholung der Bundestagswahl vom 26. September 2021. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Neuauflage in 455 von über 2.200 Wahlbezirken kurz vor Weihnachten wegen der damaligen Wahlpannen in der Hauptstadt angeordnet.
Wählen durfte am Sonntag jeder und jede Fünfte in Berlin und damit weniger als 1 Prozent der bundesweiten Wählerschaft. Tatsächlich gab allerdings nur jeder Zweite die Stimme ab. Die Wahlbeteiligung sank in den Wiederholungsbezirken verglichen mit 2021 von 75,4 auf 51 Prozent.
Dass die Nachwahl die Mehrheitsbildung der Ampelkoalition im Bundestag gefährden könnte, war rechnerisch ausgeschlossen. Mit Spannung war jedoch die Entscheidung in zwei der zwölf Berliner Direktwahlkreise erwartet worden, weil dort ein großer Anteil der Wählerschaft nochmals abstimmen durfte: im Ostbezirk Pankow mit dem angesagten Stadtteil Prenzlauer Berg und dem Westbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf rund um Ku'damm und Bahnhof Zoo.
Müller (SPD) kann Mandat knapp verteidigen
Während in Pankow der Grüne Stefan Gelbhaar seinen Vorsprung weiter ausbaute, konnte im Westbezirk der frühere Regierende Bürgermeister des Stadtstaats, Michael Müller (SPD), sein Mandat trotz großen Vorsprungs aus der Wahl von 2021 nur äußerst knapp verteidigen. Am Ende lag Müller in der Gesamtrechnung aus der Wiederholung und den Wahlbezirken, in denen nicht erneut abgestimmt wurde, nur noch 600 Stimmen vor der grünen Bundesfamilienministerin Lisa Paus und knapp 700 vor dem CDU-Bewerber Klaus-Dieter Gröhler. 2021 rangierte Müller noch 5.400 Stimmen vor Paus und 8.400 vor dem CDU-Mann. Prozentual betrachtet trennte die drei nun lediglich ein halber Prozentpunkt.
In den 455 Wiederholungswahlbezirken stürzte die SPD – verglichen mit 2021 – bei den Zweitstimmen um 7,8 Prozentpunkte auf 14,6 Prozent ab. Die Grünen – auf Bundesebene zusammen mit Sozialdemokraten und FDP seit Monaten Teil der stark kritisierten Ampelkalition – konnten ihr Ergebnis hingegen sogar leicht steigern, um einen halben Prozentpunkt auf 27,7 Prozent.
Die CDU wiederum, in bundesweiten Umfragen zuvor boomend, legte in diesen Wahlbezirken um knapp die Hälfte zu und kam auf 20,6 Prozent. Die AfD (plus 5,6 Prozentpunkte) verdoppelte dort fast ihr Ergebnis – von 7 auf 12,6 Prozent. Auch die Linkspartei konnte sich leicht steigern: von 11,9 auf 12,6 Prozent.
Berlin verliert vier Bundestagssitze
Im Berliner Gesamtergebnis aller rund 2.200 Wahlbezirke fallen Gewinne und Verluste gegenüber 2021 durch die Ergebnisse in den 455 Wiederholungsbezirken geringer aus. Ein Grund hier ist die deutlich gesunkene Wahlbeteiligung. Die SPD kommt nun insgesamt auf 22,2 Prozent (minus 1,2 Prozentpunkte), die Grünen erreichen 22,0 (-0,4), die CDU erzielt 17,2 (plus 1,3), die Linke 11,5 Prozent (plus 0,1), die AfD 9,4 (plus 1,0), die FDP 8,1 (-1,0).
Durch die gesunkene Wahlbeteiligung muss Berlin insgesamt vier Bundestagssitze an andere Bundesländer abgeben, weil sich das Stimmenverhältnis der Bundesländer verschiebt. Berlin hat nun vier Mandate weniger als nach der Wahl 2021: 25 statt zuvor 29 Mandate.
Betroffen sind nach den Angaben der Landeswahlleitung unter anderem die Grünen mit der im Dezember interimsmäßig zur Landesvorsitzenden gewählten Nina Stahr. Auch SPD, Linkspartei und FDP müssen je ein Mandat abgeben, das sie bislang über ihre Landeslisten besetzten. Nicht betroffen ist die CDU, deren Landes-Generalsekretärin Ottlie Klein auf diese Weise ihr Mandat zu verlieren drohte.
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