Internationaler Luxusmarkt: Glamour ist Handwerk

Was macht eine Uhr oder eine Küche zu Luxus? In München trafen sich zum ersten Mal deutsche Luxusforscher und Marketingfachleute zum Luxury Business Day.

Sie können auch die Zeit angeben: Luxusuhren im Schaufenster. Bild: dpa

Er ist das Symbol für die Oscars schlechthin: der rote Teppich, über den die internationale Filmwelt in das Kodak-Theatre am Hollywood Boulevard in Los Angeles schreitet. Denn der rote Teppich ist der Laufsteg, auf dem die gültige Vorstellung von ultimativem Glamour und Luxus vor den Augen der ganzen Welt paradiert.

Dass nun beim ersten Luxury Business Day in München nicht der rote Teppich, sondern die silbersplitterübersäte Bühnenwand für den wahren Aufwand stand, der bei der Oscar-Verleihung getrieben wird, spricht für das innovative Informationsangebot der Veranstaltung.

Schon zum zweiten Mal wurde der Manufakteur Ulrich Welter mit der Oscar-Bühne beauftragt. In Berlin-Schöneberg produziert er Tapeten, die er etwas spröde "Wandunikate" nennt. Denn bei seinen Wandbekleidungen handelt es sich um eigens entworfene und hergestellte Meisterstücke des Kunsthandwerks.

Luxus hat in Deutschland viel mit Handwerk und noch mehr mit Ingenieurskunst zu tun und wird daher als solcher oft gar nicht wahrgenommen. Anders als der italienische und französische Schmuck- und Modeluxus, der mit demonstrativem Konsum, vor allem aber mit Glamour und Celebrities in Verbindung gebracht wird.

Dabei ist, wie sich zeigt, doch die Welter-Tapete im wahrsten Sinne des Wortes die Folie, vor der sich der Glanz der Celebritykultur entfaltet.

Nur weiß das eben keiner. Nicht ohne Grund hatten also die Veranstalter - Inlux, Institut für Luxus, und die Munich Business School (MBS), die seit zwei Jahren die ersten Luxury Managementkurse an einer deutschen Hochschule anbietet - den Luxury Business Day unter der Fragestellung organisiert, welches Potenzial für den internationalen Luxusmarkt in der deutschen Ingenieurs- und Wertarbeit steckt.

Globale Vorstellung von Luxus

Dahinter stand die weiterführende Frage, die Petra-Anna Herhoffer, Leiterin von Inlux und Dozentin der MBS, in ihrer Eröffnungsrede formulierte: Inwiefern stellt deutscher Luxus womöglich eine aktuelle Neudefinition des Begriffs dar, in der die Funktion über die Dekoration obsiegt und Langlebigkeit über Prestige und Image?

Und was ist nötig, um diese Neudefinition, in der Wert- und Nachhaltigkeit die entscheidende Rolle spielen, international zu kommunizieren?

Die Antwort könnte die globale Vorstellung von Luxus erweitern. Denn bislang gelten deutsche Marken als Premium- und nicht unbedingt als Luxusmarken. Warum? Bei den deutschen Weltmarktführern, unter die auch die Luxusanbieter fallen, handle es sich zu 85 Prozent um B2B-Anbieter, wie Bernd Venohr von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin auf gut Wirtschaftsdeutsch erläuterte, also um Geschäftsbeziehungen etwa zwischen Luxusküchenherstellern und Architekten.

Franzosen und Italiener pflegen dagegen ein B2C-Modell, in dem die Produzenten in ihren Flagshipstores die Konsumenten direkt beliefern.

Im Bereich des Konsums wurzelt der Begriff des Luxus als Synonym für das Überflüssige und dadurch Besondere, das diejenigen auszeichnet - positiv oder negativ -, die damit in Verbindung stehen.

Keiner formulierte das in München treffender als Andreas Henke, Marketing Direktor der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG: "Wir bauen Autos, die niemand braucht." Am absurd komplizierten Firmennamen von Porsche, der unbedingt einen besonderen hiesigen Stolz auf Wissenschaft und Forschung belegt, liegt es nun, dass einem die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften in den Sinn kommt - und das dort beheimatete, wenig alltagsrelevante Forschungsprojekt Corpus Inscriptionum Latinarum, das eine ganze Reihe von Akademikern ernährt, die die antiken lateinischen Inschriften der gesamten römischen Welt sammeln und editieren.

In seiner positiven Funktion sichert und erschließt Luxus also das kulturelle Erbe, sei es das der antiken Welt, sei es das hochwertiger Lederverarbeitung, wie sie in der italienischen Toskana entwickelt wurde, oder sei es das der Uhrmacherkunst in Glashütte, Sachsen.

Letzteres konnte nach der deutschen Einheit wiederbelebt werden, und zwar durch den Urenkel von Ferdinand Adolph Lange, der die Feinuhrmacherei 1845 in dem armen Erzgebirgsort angesiedelt hatte. Die Neugründung hat heute 500 Mitarbeiter, darunter einen Finisseur, der die sogenannte Schwarzpolitur der einzelnen Uhrenteile erledigt, wofür er zwei Tage benötigt, wie Evelyn Wrobbel von der Firma A. Lange und Söhne berichtete.

Luxus als Wunschgegenstand

In spannenden Erfolgsgeschichten einzelner Unternehmen, wie Montblanc in Hamburg oder Strenesse im bayerischen Nördlingen, erschöpfte sich die von Grimme-Preisträger Andreas Lukoschik effizient moderierte Veranstaltung aber keineswegs.

Anliegen war vielmehr, Luxus als Wunschgegenstand in Forschung und Lehre kenntlich zu machen, ob in den Kulturwissenschaften oder vor allem aber den Wirtschaftswissenschaften.

Immerhin einen Luxusforscher gibt es in Deutschland, und er kommt ausgerechnet aus - Berlin. Von Klaus Heine vom Marketing-Lehrstuhl der TU Berlin war zu erfahren, dass der weltweite Luxus zunächst aus Europa und dann den USA stammt; dass Deutschland als Produzent an dritter Stelle liegt, nach Frankreich und Italien, vor England und den USA; dass deutsche Luxusmarken jünger sind als die französischen.

Das Unternehmen Burmester in Berlin etwa, das Audiosysteme der absoluten Spitzenklasse herstellt, wurde 1977 gegründet, der Lederwarenspezialist Hermès in Paris 1837. Entsprechend sind die französischen Codes für Luxus raffinierter entwickelt.

Es mag dann die Bauhaustradition noch eine Rolle spielen, jedenfalls tritt deutscher Luxus stets puristischer auf als der anderer Länder. Bedenkt man, dass Luxus als Handwerks- und Ingenieurskunst oft schon implizit Stellung zu gesellschaftlichen Zukunftsfragen nimmt, ist das allerdings keine schlechte Auskunft.

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