Grab des Hitler-Stellvertreters aufgelöst: Heß liegt nicht mehr in Wunsiedel

Die Gebeine des früheren Hitler-Stellvertreters sind weg. Und damit, so hoffen die Bürger von Wunsiedel, auch der Grund für die Nazis, nach Oberfranken zu pilgern.

Die Knochen von Rudolf Heß liegen nicht mehr länger im Familiengrab in Wunsiedel. Bild: Reuters

BERLIN taz | Das Grab ist leer, die Gebeine sind bereits eingeäschert. Und damit hat Wunsiedel ein Problem weniger. Das Grab von Rudolf Heß, dem früheren Stellvertreter von Adolf Hitler, wurde aufgelöst. Damit - so hoffen die Bürger - fehlt den Nazis jetzt der Grund, nach Oberfranken zu pilgern und vor dem graumelierten Stein die rechte Hand straff nach vorne zu strecken.

Der stellvertretende Bürgermeister Roland Schöffel von den Freien Wählern ist froh. "Man kann nur sagen: Gott sei Dank", sagte er der taz. Das werde der Stadt gut tun. "Wo es keine Grabstätte gibt, gibt es auch keine Pilger", so hofft er.

Die Stadt war in der Vergangenheit immer wieder zum Mekka für Nationalsozialisten geworden, die zum Grab des Hitler-Stellvertreters pilgerten. Fast jedes Jahr am 17. August, an dem Tag, als sich Heß vor 24 Jahren das Leben nahm. Bürgermeister Schöffel hofft, dass sich das nun ändert.

Es sei am Ende der Wunsch der Familie gewesen, das Grab aufzulösen, so Schöffel. Seit Mittwoch in den frühen Morgenstunden existiert es nicht mehr. Großes Aufsehen gab es im oberfränkischen Wunsiedel deswegen nicht, die ganze Aktion sei ganz im Verborgenen geschehen, hieß es.

Ganz ohne Streit

"Der Grabnutzungsvertrag mit den Erben lief aus", sagt Hans-Jürgen Buchta, der zuständige Dekan der Kirchengemeinde, zu Erklärung. Und weil sich der Kirchenvorstand wegen der regelmäßigen Nazi-Aufmärsche dagegen entschieden hatte, den Vertrag über den 5. Oktober hinaus zu verlängern, bekam die Enkelin von Rudolf Hess einen entsprechenden Bescheid. Sie legte Klage ein. Allerdings, und das betont Buchta, nur deshalb, weil sie die Frist wahren wollte. "Es gab längst einen Termin für ein Gespräch mit ihr", sagt der Dekan der taz.

Dieses Gespräch fand vor wenigen Tagen statt - am Ende einigten sich Buchta und die Heß-Enkelin darauf, die Gebeine aus dem Grab zu nehmen und zu verbrennen. Es habe keinen Streit gegeben, es sei ein "sehr gutes Gespräch gewesen", sagt der Dekan. Auch habe es - anders als die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte - keine Exhuminierung gegeben. "Es gab ja auch keine Leiche mehr, nur die Gebeine", so die Erklärung. Und die sind inzwischen schon eingeäschert und sollen auf See bestattet werden.

Offenbar wollte die Enkelin des Hitler-Stellvertreters verhindern, dass das Familiengrab auf dem evangelischen Friedhof als Pilgerstätte von Nazis missbraucht wird. Hans-Jürgen Buchta ist das nur Recht, "ich hoffe, Wunsiedel kommt endlich zur Ruhe", sagt er.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Aufmärsche 2005 zwar untersagt. Zuvor waren jedoch jährlich bis zu 4.500 rechte Demonstranten durch die Straßen von Wunsiedel gelaufen. "Ich hab das 13 Jahre lang miterlebt", erzählt Buchta, das sei genug. In Wunsiedel war jahrelang über das Grab und den richtigen Umgang damit diskutiert worden. Rudolf Heß wollte dort begraben werden, so wünschte er es sich in seinem Testament. Seine Familie hatte im Ort ein Ferienhaus, das Familiengrab liegt auf dem evangelischen Friedhof. Der Vorstand der evangelischen Kirchengemeinde war dem Wunsch nach seinem Tod im Jahr 1987 mit einigem Zögern nachgekommen - und hat seine Meinung nun geändert.

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