Kolumne Landmänner: Spießige Bemerkungen im Orgienkeller

Ein jeder Kehre unter seiner eigenen Liebesschaukel. Formulare, Formulierungen und Formelles: zehn Jahre Eingetragene Lebenspartnerschaft in Deutschland.

Dosenpfand und Homoehe, mehr war nicht. So heißt es im schmallippigen Volksmund, wenn matt beschienen von Energiesparlampen Rot-Grün bilanziert wird. "Gedöns", um es mit den Worten des seinerzeit amtierenden SPD-Kanzlers Gerhard Schröder zu sagen.

Seit zehn Jahren schon gibt es nun die sogenannte Homoehe, die eigentlich "Eingetragene Lebenspartnerschaft" heißt und ein eigenes Rechtsstatut darstellt, damit Konservative wie Norbert Geis von der CSU nachts besser schlafen können. Geis hat zwar noch immer Angst vor der "planmäßigen Zerstörung der Ehekultur", meint es aber im Gegensatz zu vielen seiner konservativen Mitstreiter, die sich allein aus Gründen des Partei-Marketings ein wenig in Diskriminierung üben, wenigstens ernst.

Ein paar Hürden bis zur endgültigen Gleichstellung sind noch zu nehmen - Einkommensteuer, Adoptionsrecht - der Rest ist Kampf im Alltag. Bei den Formularen fängt es an: Für das Finanzamt ist man entweder "ledig" oder "verheiratet", das Feld "Eingetragene Lebenspartnerschaft" gibt es nicht. Bei der LBS Nord haben mein Mann und ich diese Kategorie in Absprache mit dem Gebietsleiter einfach mit Kugelschreiber hinzugefügt. Es ging um einen BAUSPARVERTRAG.

Bei den Formulierungen geht es weiter. Wenn ich sage "mein Mann", gucken alle komisch, aber "mein eingetragener Lebenspartner" hört sich an, als würde ich meinen Betreuer vom sozialpsychiatrischen Dienst vorstellen. Dann noch die Fragen des Formellen: Ist, wer eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingeht, am Ende nur ein armseliger, hyperangepasster Kopist des heteronormativen, geschlechter-binäristischen und neomonotheistischen MAINSTREAMS?

Von Winehouse zum vierstrahligen Gasgrill

Zugegeben, ein bisschen spießig war das neulich schon, als ich mitten in die Dunkelheit eines Berliner Orgienkellers laut und vernehmlich formulierte, dass ich jetzt gerne NACH HAUSE gehen würde, aber es war schon drei Uhr morgens und mein Mann hatte keinen Schlüssel mit. Aber andererseits denke ich, dass die Leute doch unter ihrem eigenen Sling (Liebesschaukel) kehren soll. Muss man als Schwuler automatisch die Amy Winehouse machen und in jungen Jahren dramatisch verglühen, während es bei den meisten am Ende bloß zu einem vierstrahligen Gasgrill Modell "Outdoorchef Ambri 480" reicht?

Bei einer rechtlichen Gleichstellung geht es ja eben darum, dass man überhaupt eine Wahl hat, aussuchen kann, ob man sich in einem offiziellen Rahmen bindet oder nicht. Die meisten Heteros heiraten der Kinder wegen oder aus fiskalischen Gründen. Wir sind diesen Schritt gegangen, damit uns das, was wir uns zusammen aufgebaut haben, nicht nach einem eventuellen Ableben des ein oder anderen Partners von der Verwandtschaft unter dem Arsch weggerissen wird, ganz einfach. Staus auf der Autobahn und schlechte Fernsehprogramme sind auf jeden Fall bedrohlicher für die deutsche Ehekultur.

Im Jahr 2010 gab es in Deutschland 23.000 Eingetragene Lebenspartnerschaften - im Vergleich zu 18 Millionen verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren. Was für ein Lärm wegen der paar Hanseln. Was für ein Theater um einen BEHÖRDLICHEN AKT.

Neulich schickte meine Mutter eine SMS: "Alles Gute für Euch zum zweiten Hochzeitstag." Wir hatten es vergessen.

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* 21. Februar 1973 in Wittlich; † 26. Mai 2023 in Berlin, war Redakteur der taz am Wochenende. Sein Schwerpunkt lag auf gesellschaftlichen und LGBTI-Themen. Er veröffentlichte mehrere Bücher im Fischer Taschenbuchverlag („Generation Umhängetasche“, „Landlust“ und „Vertragt Euch“). Zuletzt erschien von ihm "Die Kapsel. Aids in der Bundesrepublik" im Suhrkamp-Verlag (2018). Martin Reichert lebte mit seinem Lebensgefährten in Berlin-Neukölln - und so oft es ging in Slowenien

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