Ursula von der Leyen: Ministerin für Arbeit und alles

Ob Mindestlohn oder Vereinigte Staaten von Europa: Ursula von der Leyen verblüfft ihre Partei ständig mit neuen Ideen. Und bringt sich als Merkels Nachfolgerin in Stellung.

Wenn irgendwo ein Papier unbearbeitet rumliegt, ist sie da: Ursula von der Leyen. Bild: dapd

BERLIN taz | Ursula von der Leyen spricht immer leise, in geschliffenen Sätzen und so verbindlich, dass ihre Gesprächspartner oft erst im Nachhinein merken, welche Granate sie da gezündet hat. Und das tut die CDU-Ministerin gerade beinahe täglich: Mindestlohn für alle. Bamm. Zuschussrente. Bamm. Vereinigte Staaten von Europa. Bamm.

Während von anderen Ministern während der Europa-Krise nichts zu hören ist, haut die Arbeitsministerin einen Vorschlag nach dem anderen raus. Alle haben dabei eines gemeinsam: Sie sind in einer schwarz-gelben Koalition nicht durchsetzbar, dienen also vor allem der Profilierung von der Leyens. Ihre Ressorts mögen Arbeit und Soziales heißen, doch sie präsentiert sich als Ministerin, zuständig für alles.

Unter ihren Vorgängern agierte das Arbeitsministerium wie eine riesige Sozialverwaltung. Mit dem größten Budget des Kabinetts ausgestattet, kümmerten sich Franz Josef Jung (CDU) oder Olaf Scholz (SPD) um Rente, Langzeitarbeitslose und Eingliederungsmaßnahmen. Arbeitsminister, das war ein etwas dröger Job für Aktenfresser, die selten einen großen Auftritt haben.

Unter von der Leyen, 52 Jahre, verheiratet, sieben Kinder, ist das anders. Sie betrieb in dem Haus von Anfang an eine offensive thematische Expansionspolitik. Von der Leyen entschied sich 2009 in Kanzlerin Angela Merkels zweitem Kabinett für ihr Ministerium, weil ihr das Familienressort zu eng wurde - nach dem Erfolg des Elterngelds schien dort alles Wichtige abgeräumt.

Zumal sie das, was übrig blieb, einfach mitnahm. Das bekam ihre Nachfolgerin, Familienministerin Kristina Schröder, zu spüren. Ausgerechnet während deren Elternzeit erklärte von der Leyen Frauenquoten in Unternehmen zu ihrem Projekt.

Inhaltliche Details? Nicht so wichtig

Den größten Profilierungscoup landete von der Leyen vor zwei Wochen: Während Merkel und der Finanzminister um jeden Preis den Eindruck vermeiden wollten, Deutschland steuere unkontrolliert in eine Gesamthaftung, erklärte sie munter, ihr Ziel seien die "Vereinigten Staaten von Europa".

Deutschland ein Bundesland von vielen in Europa? Bei den nervösen Abgeordneten von Union und FDP schlug das ein wie eine Bombe. Die Parteispitzen versuchten tagelang, die Debatte wieder einzufangen, die Kanzlerin persönlich rüffelte von der Leyen. Doch die scheint das nicht zu stören.

Ebenso wenig stört sie, dass ihre eigene Partei derlei niemals mittragen würde - ganz zu schweigen von der FDP. Auch mit inhaltlichen Details nimmt sie es bei der Platzierung ihrer Knaller nicht ganz so genau. Wie denn der - hochkomplexe - Weg in einen europäischen Staat aussehen soll, skizziert sie nicht mal ansatzweise. Und wenn sie im Spiegel "einen Mindestlohn in allen Branchen" vorhersagt, muss ihre Sprecherin am nächsten Tag zurückrudern - ein solcher stünde momentan nicht zur Debatte.

Mit ihren Ideen arbeitet die Arbeitsministerin, die in der CDU keine Hausmacht hat, also vor allem am eigenen Image. Konsequent poliert sie das Bild der modernen Christdemokratin, die ihrer Partei immer ein paar Schritte voraus ist. Mit dieser Strategie, so hofft sie, spielt sie mit, wenn irgendwann die Merkel-Nachfolge ansteht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.