Kommentar Russland: Die neue Dritte Welt

Mit Putins erneuter Kandidatur fürs Präsidentenamt zeigt sich Russland nun endgültig als autoritäres Regime. Das ist keine Überraschung, nur die Gangart wird bösartiger.

Wladimir Putin hat sich entschieden und tauscht mit Medwedjew sein Amt. 2012 zieht der Premier zum dritten Mal in den Kreml ein. Diesmal wohl gleich für die nächsten zwölf Jahre - also bis 2024. Russland zeigt sich nun endgültig als autoritäres Regime.

Eine Überraschung ist das nicht und zumindest außenpolitisch auch kein Grund zur Sorge. Der Westen ist mit Putin bestens vertraut. Sein Russland war immer ein Partner, wenn auch launisch und unbequem - am Ende aber agiert er eher pragmatisch. Langfristig könnte sich das jetzt ändern.

Denn Putins dritte Amtszeit steht unter einem anderen Stern als der vom Ölpreis gepushte Einstieg des ehemaligen Geheimdienstlers vor zwölf Jahren. Inzwischen sind Staat und Infrastruktur zerfallen und die Korruption zerfrisst die verbliebenen Reste. Die überfällige Modernisierung in Armee, Bildungs- und Gesundheitswesen wurde schon in satten Zeiten versäumt. Und die von Putin nun installierte Elite wird sich um sie trotz gegenläufiger Rhetorik auch in den nächsten Jahren nicht kümmern. Russland droht der weiter beschleunigte Abstieg in Richtung Dritte Welt.

ist Russland-Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Moskau.

Autoritäre Regime reagieren - zumal wenn sie Imperien waren - auf den Verlust von internationalem und geopolitischem Einfluss meist mit stärkerer Zentralisierung und Militarisierung - nach innen wie außen. Das autoritäre Denken hält kein anderes Mittel parat, als die Gesellschaft durch die Suche nach inneren und äußeren Feinden zu konsolidieren. Auch Megaprojekte wie Olympische Winterspiele und Fußball-WM gehören dazu. Sie suggerieren dem Bürger ohne Wasserklo nationale Größe.

Beruhte Moskaus Auftrumpfen Mitte des Jahrzehnts noch auf dem Glauben, als Energiesupermacht wiedergeboren zu sein, dürfte das nächste Aufbegehren aus Schwäche nicht mehr so gutartig ausfallen.

Die neue Militärdoktrin hat dem schon vorgegriffen und nukleare Erstschläge auch bei regionalen, konventionell aus dem Ruder laufenden Konflikten abgesegnet. Ein schwächelndes Russland wird versuchen, sich durch Störmanöver im postsowjetischen Raum aufzurichten, und ansonsten auf der großen Bühne wieder den rhetorischen Gegenpart zum Westen übernehmen. Ganz nach dem Motto: Dazwischenfunken, so oft wie möglich, reizen ja - aber nie bis zum Äußersten.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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