Zu Besuch beim Verlag "Edition Fünf": Die Falschmacherinnen

Jedes Jahr gibt die "Edition Fünf" fünf Titel heraus, von Frauen geschrieben und sonst nicht mehr zu haben. Geht das gut? Besuch bei Mitgründerin Christina Gräbe.

Literaturwissenschaftlerin, Texterin, Übersetzerin und nun auch Herausgeberin: Christine Gräbe. Bild: Ulrike Schmidt

HAMBURG taz | Lieblingsbücher, Frauenbücher, und davon auch nur fünf pro Jahr: So arbeiten die drei Gründerinnen des Verlags "Edition Fünf" und verstoßen damit gegen jede Regel der Buchbranche. Das kann eigentlich nicht gutgehen. Oder?

Christine Gräbe war von Anfang an dabei. Sie ist Texterin, Übersetzerin, Literaturwissenschaftlerin und seit Gründung des Verlags im Jahr 2010 auch Herausgeberin. Ein vorzeigbares Büro hat sie derzeit nicht, überhaupt hat die Edition Fünf keine eigenen Räume: Die drei Macherinnen leben und arbeiten in München, Holstein und Hamburg.

"Ich ziehe gerade um und das Chaos dort will ich niemandem zumuten", sagt Gräbe und steuert durch die von Büchern überquellenden Räume des Hamburger Verlags "Edition Nautilus". Dass sie hierher ausgewichen ist, passt - nicht nur wegen der vielen Bücher, sondern auch, weil Nautilus den Vertrieb für Edition Fünf übernommen hat.

In der Küche hat Gräbe auf einem Holztisch ausgebreitet, was Edition Fünf bislang zu bieten hat. Viel ist es noch nicht, aber sie sehen umso besser aus, die Bücher: in rotes Leinen gebunden, weißer Aufdruck und abgestimmte Illustrationen; ein Abba-Plattenhalter etwa findet sich auf einem Buch von Susanne Alakoski, das im Schweden der 60er und 70er Jahre spielt. Und farbige Banderolen, die von gelb zu blau verlaufen, werden der bisher erschienenen zehn Bände aufgereiht. "Die Bücher sollen eine Verlockung sein. Natürlich müssen die Inhalte stimmen - aber die Verpackung eben auch."

Inhaltlich haben die drei Verlegerinnen klare Auswahlkriterien: Sie bringen nur ihre Lieblingsbücher von Frauen heraus, Bücher, die vergessen wurden und nur noch antiquarisch zu haben sind. In diesem Jahr zum Beispiel "Das Erwachen" von Kate Chopin, zuletzt in den 80ern in der Reihe "Neue Frau" bei Rowohlt erschienen und danach nicht mehr lieferbar.

Jedes Jahr, pünktlich zur Frankfurter Buchmesse, legen sie nur dieses eine Fünfer-Programm vor: ein Buch zum Nur-so-Weglesen, ein Klassiker, ein Debüt, eine Biografie und ein Band mit Kurztexten.

Wiederkehrend ist die thematische Klammer. Im ersten Verlagsjahr ging es um den Aufbruch: um Frauen, die sich auf den Weg gemacht, die Welt erobert und ihr Glück gefunden haben. Und 2011 ging es um das Wagnis und den Mut, den es braucht, das Leben und die Liebe zu meistern.

An diesem Konzept scheint etwas dran zu sein: Gerade hat die Edition vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst einen mit 5.000 Euro dotierten Kleinverlagspreis bekommen. Es sei schon "eine große Anerkennung", sagt Gräbe, mit einem solchen Preis ausgezeichnet zu werden - "mit einem Konzept, in dem wir eigentlich alles falsch machen, was man in der Buchbranche falsch machen kann." In der Begründung der Jury freilich hieß es, man würdige solche Wagnisse kleiner Verlage.

Das hört sich noch ziemlich anders an, als einer der ersten Artikel, der über die Edition im Börsenblatt erschien und übertitelt war mit "Das Frauenprojekt". Wer als Frau Bücher von Frauen herausgebe, "ist sofort in dieser Feminismus-Schublade", sagt Gräbe, die daher "diese bösen F-Worte" eigentlich vermeiden will. "Natürlich ist es uns ein Anliegen, Frauen sichtbar zu machen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass Frauen mit ihren Büchern schneller vom Markt verschwinden als Männer." Männer seien einfach sichtbarer - bei Preisen, in Jurys, bei den Rezensenten.

Ein Beispiel: Auf der Frankfurter Buchmesse hat Cicero gefragt, wer der wichtigste zeitgenössische Schriftsteller ist. Nun ist das Ergebnis im Falle jenes Magazins vielleicht nicht überraschend, aber umso bezeichnender: Unter den vier Genannten fand sich mit Herta Müller genau eine Frau. "Das ist eigentlich eine Frechheit", sagt Gräbe. "Wäre beispielsweise Anette Kolb ein Anton Kolb gewesen, dann hätten wir sie gar nicht wiederentdecken müssen."

Die Münchnerin Kolb war eine gefeierte Autorin der Weimarer Republik und erhielt auch nach dem Zweiten Weltkrieg diverse Preise. Lieferbar allerdings war zuletzt nur noch ein Titel, "Die Schaukel" von 1934. In der neuen Edition-Fünf-Reihe ist jetzt ihr Debütroman "Das Exemplar" (1913) neu aufgelegt worden.

"Um etwas gegen dieses Verschwinden von Autorinnen zu unternehmen, machen wir eigentlich nur Bücher, die es schon einmal gab", sagt Gräbe. Und zieht sogleich die Ausnahme von dieser Regel aus dem Stapel neben ihr auf dem Tisch: "Bessere Zeiten" von Susanne Alakoski. Diese erste Übersetzung aus dem Schwedischen könnte sich für die Edition Fünf als echter Glückgriff erweisen.

Alakoskis Debütroman verkaufte sich in Schweden mehr als 600.000 Mal, die Verfilmung kommt in dieser Woche in die deutschen Kinos. Alakoski, geboren 1962 im finnischen Vasa und in Ystad aufgewachsen, erzählt eine Geschichte von Kinderarmut in der Wohlstandsgesellschaft aus der Perspektive von Leena, deren Eltern in den 60er Jahren als finnische Gastarbeiter nach Südschweden kommen. Nach und nach gerät die Selbstverständlichkeit von Leenas Kindheit ins Wanken.

Schon jetzt ist "Bessere Zeiten" der bestverkaufte Titel der Edition Fünf, könnte also zum Erfolg des kleinen Verlags beitragen. Die Planung für nächstes Jahr läuft auf jeden Fall schon. Arbeitstitel für die neue Fünfer-Reihe: Spiegelung.

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