Breites Protestbündnis in Frankfurt: Blockupy will das Herz der Stadt

Von Heiligendamm in die Metropole: Die „Blockupy“-Inszenierung ist mehr als ein Protestmoment. Die Stadt Frankfurt übersieht das und sorgt so für Konfliktpotential.

Camping mal woanders: Ein Blockupy-Zelt steht auf der Euro-Skulptur vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main. Bild: dpa

BERLIN taz | Thomas Seibert ist einer von ihnen, der aufständische Intellektuelle. Christoph Kleine auch, der linksradikale Vordenker, ein Spielzeughändler aus Lübeck. Und Werner Rätz, der bärtige Mann von Attac. Sie alle arbeiten an einer großen Choreografie, die ab Mittwoch Frankfurt, Deutschlands Bankenstandort, für einige Tage lahmlegen soll: Blockupy.

Großflächige Demonstrationsverbote, Aufenthaltsverbote für über 400 Menschen – bereits vor dem Ereignis ist ein Kampf ausgebrochen, den die Stadt Frankfurt nur verlieren kann. Denn die geplanten Blockupy-Proteste sind kein kleinerer Protestmoment, sondern das Ergebnis einer arbeitsintensiven Bewegungsgeschichte, die auf grünen Wiesen in Mecklenburg-Vorpommern begann.

Seibert, Kleine und Rätz sind Teil eines neuen Aufbruchs, der beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm seinen Ausgang nahm. Friedensgruppen diskutierten damals mit der autonomen Antifa. Umweltaktivisten, Globalisierungskritiker und der Schwarze Block trafen eine Entscheidung: Der hegemonialen Kraft, die sie bei den Regierenden ausmachten, wollten sie sich im Ganzen entgegenstellen. Die Opposition auf der Straße – kein Fall für Splitterdiskussionen.

In den vergangenen Jahren wurde daran sehr konkret gearbeitet: Mit Kampagnen wie „Castor schottern“ im Wendland und „Dresden nazifrei!“ hat die radikale Linke sich fortlaufend im Kontakt gehalten mit weniger radikalen Gruppen. Von den Jusos über grüne Hochschulgruppen bis zur Friedensbewegung finden das inzwischen viele sehr plausibel.

Am vergangenen Donnerstag war es die Friedensbewegung, die explizit zu den Protesten nach Frankfurt rief. Auch die Pazifisten wollen sich nicht darauf einlassen, dass der hessische Innenminister diktiert, wer sich in Frankfurt von wem zu distanzieren hat.

Behörden als unfreiwllige Erfüllungsgehilfin

Die Frankfurter Behörden machen genau dies zum Kern der Repression. So forderte der Ordnungsdezernent eine Distanzierung von Gewalt als Voraussetzung für ein Demonstrationsrecht. Damit macht sich die Stadt Frankfurt – vielleicht ohne es zu ahnen – zur Erfüllungsgehilfin einer bislang verwegenen Idee, die zunächst nur als Parole funktionierte: Die radikale Linke will, so hieß es in etlichen Schriften wie dem beachteten Pamphlet eines „Unsichtbaren Komitees“, im antikapitalistischen Kampf „die Metropolen erobern“.

Als im Januar auf einem Kongress über zivilen Ungehorsam in Dresden ein neues Feld abgesteckt wurde, war klar: Die Vorlage, die die Occupy-Bewegung bot, könnte diesen Sprung ermöglichen: hinein in die Metropole, im urbanen Raum für Unordnung sorgen.

So ergibt sich aus der neueren Geschichte sozialer Bewegungen – auch rein einsatztaktisch –, dass der Frankfurter Versuch, die Proteste zu kontrollieren, präzise das Gegenteil verursachen muss. Seibert, Kleine, Rätz können sich inzwischen aufeinander verlassen. Denn zusammen mit ihren Bekannten und Mitstreitern gehören sie zu einem eingespielten Protest-Establishment.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.