Wahlumfragen in Island: Piraten am Ruder

Auf einer Insel im Nordatlantik tun sich wunderliche Dinge: Aus den jüngsten Wahlumfragen gehen Islands Piraten als stärkste Partei hervor.

Nicht nur der Vulkan Grímsvötn auf Island sorgt für Überraschungen. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Eine riesige Sensation in Island. Die neue Ministerpräsidentin heißt Birgitta Jónsdóttir und ist Mitglied der Piratenpartei. Nein. Es war nur eine Umfrage, aus der Islands Piraten als stärkste Partei hervorgegangen sind. Regulär gewählt wird erst wieder 2017. Aber die Partei surft derzeit auf einer Erfolgswelle. Bei den Wahlen 2013 war sie als weltweit erste Piratenpartei mit 5,1 Prozent und drei Abgeordneten in ein nationales Parlament eingezogen. Und danach ging es stetig bergauf. In den Umfragen der letzten Monate sind die „Píratar“ über den dritten und zweiten nun schließlich auf den ersten Platz geschippert.

29,1 Prozent der IsländerInnen antworteten laut den am Samstag in der Tageszeitung Fréttablašiš veröffentlichten Ergebnissen der Sonntagsfrage, sie würden für die Piratenpartei stimmen. Bei den WählerInnen unter 50 Jahren waren es sogar 38 Prozent. Die derzeit regierende Selbständigkeitspartei käme dagegen nur noch auf 23 Prozent. Eine von den Piraten geführte potentielle links-grüne Koalition könnte mit einer absoluten Mehrheit von 42 der 63 Parlamentssitze rechnen.

„Da müssen wir uns wohl langsam mit der Regierungsfrage beschäftigen“, freut sich der Piraten-Abgeordnete Helgi Hrafn Gunnarsson. Und Birgitta Jónsdóttir, Gründerin der Partei und Fraktionsvorsitzende im Althing, findet das ganze „surreal“: „Wir sind überrascht und dankbar. In einem Interview der Tageszeitung Visir sagt sie: „Ich weiß nicht genau, warum wir so viel Vertrauen genießen.“ Vor allem wollten die WählerInnen wohl ein „deutliches Zeichen des Misstrauens gegen die konventionelle Politik setzen“.

Die gegenwärtige konservativ-rechtsliberale Regierung hat angesichts einer Reihe von Skandalen in Rekordzeit abgewirtschaftet. Was für viele IsländerInnen das Fass endgültig zum Überlaufen brachte, ist aber ihre Arroganz. War der Bevölkerung ursprünglich versprochen worden, über die Frage eines EU-Beitritts in einem Referendum abstimmen zu können, gab es in der vorletzten Woche kurzerhand einen Kabinettsbeschluss, den EU-Beitrittsantrag zurückzuziehen. Nicht einmal das Parlament wurde befragt.

Bescheiden bleiben

Zwar sind laut einer aktuellen Umfrage drei von vier WählerInnen gegen einen EU-Beitritt. Aber entscheiden möchten sie das schon selbst. Und dass ihnen diese Möglichkeit genommen wurde, kritisieren gemäß gleicher Umfrage rund 90 Prozent der AnhängerInnen von Sozialdemokraten, Piraten und den Links-Grünen.

Der Erfolg der Píratar sei eine Inspiration und beweise, was man erreichen könne, wenn man „obsolete Politik und zwielichte Hinterzimmerdeals konsequent ins Licht der Öffentlichkeit zerrt“, kommentiert der Schwede Richard Falkvinge, einer der „Väter“ der Piratenbewegung. Aber „keine Euphorie, bescheiden bleiben“, warnt er die Partei: „Umfragen sind keine Wahlen.“

Isländische Medien jedenfalls hindert das nicht, über erste Regierungsvorhaben einer Piraten-geführten Regierung zu spekulieren. Ein Gesetz, das einem Edward Snowden die isländische Staatsbürgerschaft gewährt, sei im Gespräch. Das hatten Jónsdóttir & Co schon vor zwei Jahren ins Parlament eingebracht. Damals aber noch ohne Erfolg.

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